Hausbau — Dachbau — Fabelfisch — Dachziegel 73
Stangen angebracht waren, an denen sich drei Drachen entlang schlängelten,
so werden wir ebenfalls römische Tiergestalten vermuten können, die aus
Kenntnislosiskeit von der Bedeutung der Vorlagen als Drachen bezeichnet werden.
Auch ist hier vielleicht das Vorbild für die sich um Säulen windenden Drachen zu
suchen, die in der philosophischen Symbolik der Chinesen als ab- und aufsteigende
Drachen ein so bedeutungs-
volles und beliebtes Motiv
geworden sind. Später erst
sind die symbolischen
Deutungen unterlegt. Ur-
sprünglich ist sowohl die
Idee des Dachschmuckes
als die Form der Delphine
völlig unmotiviert in Nach-
ahmung des fremden Vor-
bildes angewendet. Eine
künstlerische Verschmel-
zung mit den übrigen
Teilen der Architektur hat Abb.72 Ziegeldach mit Delphinen auf dem First und kleinen Menschen-
figuren am Seitenteil, glasiertes Steingut, Dorftempel in Provinz
eigentlich auch später Tshili. 19. Jahrh.
. (Originalaufnahme Wegener-Berlin)
nicht stattgefunden, son- Text 0.9.7
dern noch heute sitzen die
kleinen Figuren und Fabeltiere wie nicht zu dem Dach gehörende Fremdlinge in
spielerischer Weise auf dem First.
Die Ausgestaltung des schweren Ziegeldaches und die Beibehaltung der
Holzkonstruktion für den Unterbau sind für die ostasiatische Kunst das charakte-
ristische Merkmal der Tempel- und Palastarchitektur. Die weithin leuchtenden
Dachziegel in ihrem farbigem Glanze kündeten den geweihten Ort, wie in Europa
die weit sichtbare
Turmspitze. Die
schweren Dach-
ziegel waren ein
Exportartikel nach
Japan!) bis zum
Ende des 16. Jahr-
hunderts und wur-
den dort höher ge-
schätzt als die ja-
panischen Nachah-
mungen in Bronze.
Abb, 73—75 Abschluß-Dachziegel aus Ton, Stirnseite mit Buchstaben und
Verzierungen in Relief, Hanzeit, 206 v. Chr. bis 221 n. Chr. Wann zuerst Dach-
(Aus: Laufer, Chinese pottery of the Han Dynasty, Taf. LXV) ziegel in China
hergestellt wurden,
ist nicht sicher festgestellt, doch scheint diese Technik im 3. Jahrhundert
begonnen und in der späteren Hanzeit allgemein bekannt geworden
zu sein.
Die langen, halbkreisförmigen Deckziegel erhielten als Abschluß für die
unterste von der Straße aus sichtbare Reihe eine runde Abschlußplatte (Abb. 73
bis 75), die seit alters her ‚mit Schriftzeichen und Ornamenten verziert wurden.
Von einem alten Palaste aus der Hanzeit sind zahlreiche Ziegel in Abbildungen
1) Münsterberg, Japanische Kunstgeschichte, Bd. II, 3. 35.