I. Bronze
Allgemeines
Die zahlreichen Ausgrabungen antiker Gräber in Europa haben ein umfang-
reiches Bronzematerial von Norwegen bis Italien, von Spanien bis Rußland zutage
gefördert, so daß die Entwicklung der Formen und Verzierungen einzelner Gebrauchs-
gegenstände, wie der Gefäße, Waffen und Gewandfibeln, in fast lückenloser Folge für
Jahrtausende festgestellt werden konnte. Als den Toten keine Bronzebeigaben mehr
ins Grab gelegt wurden, da hört unser Material und unsere Kenntnis auf, und nur
der Zufall hat einzelne Stücke erhalten. Im Kampfe der Not haben die Völker
Europas stets nach dem praktischen Modernen gegriffen und sich niemals Gedanken
über die Gebrauchsgegenstände ihrer Ahnen gemacht, keine Sammlungen angelegt
und keine Beschreibungen hinterlassen. Ein Wechsel der Stile ist nachweisbar,
sobald die Verhältnisse sich veränderten.
In China ist es gerade umgekehrt.
Noch harren Tausende alter Gräber der Öffnung, und aus prähistorischer Zeit
sind nur wenige Originalbronzen als einwandfrei echt nachgewiesen. Vielleicht
ruhen noch große Schätze in den Grabhügeln, wir wissen es nicht. Antike Bronzen
befinden sich in dem Privatbesitz alter Familien, in Tempeln und auch im Abend-
lande, aber ihre Echtheit können wir nur durch Vergleich der Ornamente und der
Ausführungsart besonders mit datierten Steinskulpturen wahrscheinlich machen.
Die absolute Sicherheit der Datierung besteht nur für die wenigen Stücke, die
durch Ausgrabungen aus unberührten, durch Inschriften oder Münzfunde bestimm-
baren Gräbern erhalten sind. Heute können wir durch vieles Sehen und Ver-
gleichen frühe und späte Ornamente, gute und schlechte Ausführung unterscheiden,
aber wir wissen nicht, wann ein neuer Stil begann und wie lange der alte nach-
geformt wurde.
Andererseits haben die Asiaten schon frühzeitig ihre antiken Bronzen zu
schätzen und zu sammeln begonnen; besonders wurden die Kultgeräte bevorzugt,
mit denen mystische Ideen der Heiligkeit verbunden waren, wie z. B. die Opfer-
kessel, die ursprünglich als Abzeichen der kaiserlichen Macht galten (Bd. I, 8. 17).
Die ganz außerordentliche Wertschätzung der kaiserlichen Kultgeräte brachte es
mit sich, daß sogar Kämpfe um ihren Besitz entstanden, bis sie durch Plünderung
und Feuer verloren gingen. Waren auch die Originale verschollen, der Stil blieb
erhalten und wurde bis zum heutigen Tage als geheiligte Tradition angewendet;
nur die Ausführung im einzelnen zeigt Unterschiede im Laufe der Jahrhunderte.
In der ältesten Siedelung des Reiches, im Norden Chinas, war Kupfer selten,
und der metallreiche Süden konnte erst in der großen Expansionszeit (etwa im
4. Jahrhundert v. Chr. beginnend) seine Schätze liefern, so daß die Bronzematerialien
schon ihres kostbaren Wertes wegen sehr begehrt wurden. In den Friedenszeiten
waren die metallenen Gefäße Zeichen der Macht und des Reichtums, aber in
Kriegszeiten waren sie die begehrteste Beute, um Waffen und „cash“ zu gießen.
Wir hörten, daß bei Eroberung der Südstaaten zum Zeichen des Sieges aus den
Münsterberg, Chinesische Kunstgeschichte II 7