Full text: Die Baukunst. Das Kunstgewerbe: Bronze, Töpferei, Steinarbeiten, Buch- und Kunstdruck, Stoffe, Lack- und Holzarbeiten, Glas, Glasschmelzen, Horn, Schildpatt, Bernstein und Elfenbein (Band 2)

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Kultgefäße des Konfuziustempels 109 
sehen von den überladenen modernen Deckeln — angebracht sind, so handelt 
es sich um flache, großzügige Ornamente. Von all den komplizierten Gebilden 
und den überladenen Mustern, die aufdringlich die ganzen Flächen der Ge- 
fäße spinnwebenartig ohne Rücksicht auf die Form und den Zweck in Hoch- 
relief überziehen, ist keine Spur. Also auch hier haben wir den Beweis, daß 
die Originale selbst viel einfacher aussehen , als die meist unruhig bewegten 
Dekorierungen auf den Abbildungen der chinesischen Kataloge vermuten lassen. 
Die Konturzeichnung betont zu stark die Linie des Ornamentes, das im 
Original hinter der Wucht der Form und der Wirkung der glatten Fläche völlig 
zurücktritt. 
Mit diesen elf Tempelstücken ist alles bisher aus Tempelbesitz bekannt ge- 
wordene Material der Vorhanzeit erschöpft. Sicher wird in Privatsammlungen und 
in anderen Tempeln Chinas noch manches versteckt sein, und wahrscheinlich sind 
auch vereinzelte Originale in die ferne Welt verschlagen, aber ob wirklich die vielen 
Stücke, die in Europa und Amerika — ich spreche hier nicht von der modernen 
Massenware der Museen, sondern nur von den besten Museumsstücken —, sel es 
in Paris im Musde Cernuschi oder in Freiburg i. B. im Städtischen Museum, einen 
gleichen Anspruch auf Alter erheben können, möchte ich doch sehr dahingestellt 
sein lassen. 
Meiner Bemerkung (Bd. I, 8. 70): „Die heutige Existenz von vielen Bronze- 
stücken aus der Zeit vor oder selbst nur während der Hanherrschaft gehört in das 
Reich der Fabeln“ ist von verschiedensten Seiten widersprochen worden. Aber die 
Berichte, die ich zum Beispiel von eifrigen Sammlern in China auf Grund meiner 
Ausführungen erhalten habe, bestätigen im wesentlichen meine Angaben. Es gibt 
allerdings Bronzen, die ausgegraben sind oder von den chinesischen Kennern für 
alt gehalten werden und es auch sein dürften, aber ihre Seltenheit, die sich schon 
in den hohen Preisen ausdrückt, beweist, daß es nicht ‚viele‘ sein können. Auch 
die japanischen Berichte, zum Beispiel die Ausstellung antiker chinesischer Bronzen 
(illustrierter Katalog: Teishitsu hakubutsukwan kwansho roku) von 1906, beweisen, 
wie selbst dort, wo seit über tausend Jahren chinesische Metallarbeiten geschätzt 
und gesammelt werden, nur eine kleine Anzahl, dabei undatierter antiker Originale 
aus kaiserlichem und Privatbesitz vorhanden ist. 
Wer aufmerksam die verschiedenen Abbildungen der Bronzen und Töpfereien — 
oder besser die Originale — stilkritisch untersucht, wird sicher gewisse Anhalts- 
punkte finden, die ihm sogar bei vielen Bronzen einen sicheren negativen 
Beweis erbringen werden. Meine Ausführungen sollen nicht nur den Versuch 
bilden, eine Entwicklungsreihe des Stiles anzudeuten, sondern auch alte Vor- 
urteile zu bekämpfen. Die Angaben der chinesischen Autoren sind kritiklos 
von Paleologue 1887 bis Kümmel 1909) in die abendländische Literatur 
übernommen und auf vielen Museumszetteln zu finden. Es ist unbedingt not- 
wendig, daß wir uns von lieb gewordenen Vorstellungen frei machen und die 
vorhandenen Schätze unserer Museen und Privatsammlungen vorurteilsfrei und 
kritisch prüfen. 
Es ist ein sehr schwieriges Gebiet. Das vorliegende Material ist gering, die 
Tradition stark wirkend, aber nicht maßgebend, und die neuen Gedanken können 
nur angedeutet, noch lange nicht systematisch bewiesen werden. Es scheint aber 
schon viel gewonnen zu sein, wenn das gedankenlose Abschreiben der alten Quellen 
aufhört und mit frischen, vorurteilslosen Augen des Kunsthistorikers die Qualität 
der Gegenstände angesehen und beurteilt wird. 
  
1) Kümmel, Ilustrierte Geschichte des Kunstgewerbes, 1909, Bd. II, Chinesisches 
Kunstgewerbe S. 726, 
 
	        
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