116 Bronze — Gefäße
mentes allein wohl den Stil der Zeit seiner Erfindung erkennen, aber niemals
die Zeit der Entstehung des betreffenden Stückes; hierfür ist einzig die Aus-
führung maßgebend. Man kann sie um so weniger aus der Zeichnung erkennen,
wenn diese so ungenau ausgeführt ist wie in allen späteren Ausgaben der
kaiserlichen Bronzekataloge.
Der Guß des Reliefs ist bei den antiken Stücken flach und weich
verlaufend, und wenn eine scharfe Umgrenzung stattfindet (Abb. 150), wird
jede aufdringliche Betonung vermieden. Die eckig und stark abgesetzten Orna-
mente in Hochrelief sind wohl frühestens dem 1. Jahrtausend n. Chr., meistens
erst der späteren Zeit angehörig.
Die Bronzen der Tang- bis Mingzeit sind stets nahtlos gegossen; die älteren
Arbeiten sind ebenfalls meistens nahtlos, aber es kommen auch zweifellos bei
antiken Stücken Gußnähte vor (z. B. Abb, 185). Besonders häufig bilden auf
dem Boden drei Gußnähte ein Dreieckmuster zwischen den Füßen. Moderne
Arbeiten weisen sehr häufig Gußnähte auf.
Die Dicke des Gusses ist ganz verschieden. Jedenfalls sind die ältesten
Vasen als Nachbildung von Tongefäßen sehr dick. In der Hanzeit, vielleicht
schon früher, kommt daneben ein sehr dünner Guß auf, der später wieder ver-
loren geht. Besonders Wein- und Wassergefäße sind meist dünnwandig, dagegen
antike Fleisch- und Kornopfergefäße stets recht massiv.
Nicht selten finden sich außen auf dem Boden Verzierungen mitgegossen.
Es kommt vor, daß die Muster der Außenwände über den Boden fortgeführt
werden oder besonders abgepaßte geometrische Muster angebracht sind. Laufer
verdanke ich die Mitteilung, daß in Flachrelief gegossene Rautenmuster, die den
ganzen Boden bedecken, von den Chinesen als Erkennungszeichen für Sung-
arbeiten angesehen werden, ;
Gegossene Schriftzeichen am Boden habe ich an alten Stücken bisher nicht
beobachten können, dagegen sind solche im Innern oder an den Wänden der
Gefäße sowohl in Guß wie Gravierung nicht selten. Letztere sind aber mit großer
Vorsicht zu untersuchen, da sie meistens von späteren Besitzern angebracht sind.
Es ist stets darauf zu achten, ob die Gußhaut verletzt ist. Dabei ist durchaus
nicht gesagt, daß es sich um moderne Fälschungen handeln muß, vielmehr
können schon vor Jahrhunderten oder sogar Jahrtausenden Besitz- oder Geschenk-
urkunden angebracht sein.
Wesentlich wichtiger als die Ornamentik ist für die Zeitbestimmung die
Gesamtform, die Außensilhouette, das Verhältnis der einzelnen Gefäßteile zu-
einander und die Geschlossenheit des Hauptkörpers mit seinen Teilen. Hierfür
geben die Zeichnungen der chinesischen Werke nur einen verwirrenden Anhalt (S. 104).
Wir können wohl sehen, ob drei oder vier Füße vorhanden sind, aber darauf kommt
es viel weniger an; vielmehr wie die Füße mit dem Kessel verbunden, wie sie in
der tatsächlichen Ausführung in der Licht- und Schattenwirkung, im Ton der Bronze
und in der Monumentalität ihrer Gesamtansicht zusammenklingen. Nach der Linien-
führung ist am ehesten das Alter eines Stückes zu bestimmen.
Die Ornamente können leicht kopiert, sogar durch mechanische Abgüsse direkt
übertragen werden, aber die Gesamtform zum Guß muß jedesmal frisch erfunden
werden. Da ist der Gießer gezwungen, selbst zu schaffen, und in den meisten Fällen
kann er nur im Geist und mit der jeweiligen Handschrift seiner Zeit die Form
bilden. Wenn man die wuchtigen, ernsten, scheinbar klobigen, aber doch ihrem
heiligen Zwecke so vortrefllich entsprechenden Opfergefäße der älteren Zeit mit
den überladenen oder mehr zierlichen und eleganten Ausführungen des letzten
Jahrtausends vergleicht, so wird man, besser als es mit Worten gesagt werden
kann, den Unterschied der Zeitstile empfinden.