Full text: Die Baukunst. Das Kunstgewerbe: Bronze, Töpferei, Steinarbeiten, Buch- und Kunstdruck, Stoffe, Lack- und Holzarbeiten, Glas, Glasschmelzen, Horn, Schildpatt, Bernstein und Elfenbein (Band 2)

on 
Südchinesischer Stil — Gürtelplatte 19 
Spiegel 
Die chinesischen Metallspiegel haben bis zum heutigen Tage eine eigenartige 
Gestalt, die in einem weiten zusammenhängenden Gebiet, von Südrußland über 
Sibirien bis China, im 1. Jahrtausend v. Chr. ausschließlich angewendet wurde und 
in Europa erst nach der Völkerwanderung, also auch unter asiatischem Einfluß, 
vorkommt (Bd. I, 8.37). Dabei ist zu beachten, daß die runde Scheibe mit dem 
durchlochten Knopf in der Mitte der Rückseite für Toilettenzwecke gar nicht 
handlich ist. In der ganzen übrigen Welt hat der Toilettenspiegel einen Handgriff, 
wie er im praktischen Gebrauche am bequemsten ist. 
Bei dem zähen Festhalten an eingeführten Sitten und Formen ist es nicht weiter 
verwunderlich, daß in den letzten 2000 Jahren die Form nicht verändert ist; aber 
woher kam die erste Erfindung dieser für den Gebrauchsspiegel unhandlichen Gestalt? 
Die alten Schriften !) berichten. aus dem 7. Jahrhundert (673) v. Chr., daß die runden 
Spiegel gar nicht für die heutigen Zwecke der Toilette ersonnen waren, sondern 
als Schmuck des Gürtels dienten. Die weiten Gebiete, in denen das Vorkommen 
der runden Metallscheiben als Schmuck nachgewiesen ist, weisen auf prähistorische 
Zusammenhänge hin. Die lokale Ausgestaltung bewirkte in den letzten Jahr- 
hunderten v. Chr. eine verschiedenartige Ornamentik, aber die Grundform von 
Scheibe und Knopf blieb überall beibehalten. 
Die Übereinstimmung der Form weist bis nach Europa, wo wirklich schon 
am Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. eine weit verbreitete Anwendung von runden 
Gürtelplatten bestand. Auf die Ähnlichkeiten gewisser Ornamentik in Rußland, 
Dänemark und Nordasien habe ich wiederholt hingewiesen (Bandornamente, 
Drachenkopf, Wikinger Motive, Bd. I, $.41, Anm. 2). Im Norden Europas finden 
wir ganz ähnliche runde Gürtelplatten,?) deren Vorderseite eine mehr oder minder 
stark hervortretende Spitze in der Mitte und eine kreisförmige Zoneneinteilung 
mit Spiralenornament hat. Auch bei den chinesischen Spiegeln ist im Gegensatz 
zu der antiken Urnendekoration schon bei den ältesten Stücken eine Kreis- 
einteilung vorhanden. Ob die Wahl der runden Form auf den antiken Sonnen- 
kultus®) zurückgeht, oder ob technische Momente ausschlaggebend waren, bleibt 
1) Hirth, Chinese metallic mirrors with notes on some ancient specimens of the 
Musde Guimet, Paris. Boas Anniversary Volume, New-York 1906. 
?) Dänische Sammlung vorgeschichtlicher Zeit. Kopenhagen, Nationalmuseum, 
Führer, Abb. 112 Frau mit runder Platte mit Spitze am Gürtel, Abb. 131 runde Gürtel- 
platte mit Spitze in der Mitte, kreisförmige Zoneneinteilung mit Spiralen. Abb. 134 
goldbelegte Bronzescheibe, die Sonne darstellend, auf Wagen mit Rädern. — Sophus 
Müller, Debuts et premiere evolution de la civilisation du bronze en Danemark d’apres 
les d&couvertes les plus röcentes, Copenhague 1910. Fig. 28 runde massive Scheibe mit 
Buckel in der Mitte. — In Kreta, in Mykenä und an vielen Orten hören wir von Gold- 
platten, die als Schmuck der Kleidung aufgenäht wurden. 
3) Vgl. oben Katalog der Dänischen Sammlung. — Die Verehrung des runden 
Spiegels in Japan, als Sinnbild der Sonnengöttin, läßt auch auf uralte Zusammenhänge 
schließen. Allerdings ist der erste heilige Spiegel, das Symbol der kaiserlichen Macht 
im Tempel zu Ise, erst frühestens mit der Einwanderung Jimmu Tennos einige Jahr- 
hunderte vor Christi Geburt eingeführt. Aber vielleicht ist ein viel älterer Glaube vom 
Festlande mitgebracht, nur ist im Mutterlande die Erinnerung längst verloren, während 
Japan die alte Anschauung bewahrt hat. 
 
	        
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