Full text: Die Baukunst. Das Kunstgewerbe: Bronze, Töpferei, Steinarbeiten, Buch- und Kunstdruck, Stoffe, Lack- und Holzarbeiten, Glas, Glasschmelzen, Horn, Schildpatt, Bernstein und Elfenbein (Band 2)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
160 Bronze — Spiegel 
eine offene Frage. Jedenfalls können wir Zusammenhänge annehmen, da in vier 
wichtigen Punkten: dem Zweck als Gürtelschmuck, der runden Form, der Spitze 
oder dem Knopf in der Mitte und der kreisförmigen Zoneneinteilung, die Stücke 
übereinstimmen und die geographischen Verhältnisse einen Zusammenhang über 
Rußland und Sibirien sehr wahrscheinlich machen. Diese Vermutung wird bestärkt 
durch die oben erwähnten Ähnlichkeiten auf anderen Gebieten und dadurch, daß 
in anderen Ländern eine ähnliche Form unbekannt ist. 
Die runde Gürtelplatte war somit eine eingewanderte Modeform aus einem 
fremden Kulturkreise, aber vielleicht genoß sie auch eine ursprünglich symbolische 
Verehrung als Sonnenbild. Jedenfalls war bereits eine feststehende Form vor- 
handen, als etwa um die Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. das Belegen der 
geglätteten Metallplatte mit Quecksilber, wahrscheinlich durch die zentral- 
asiatischen Türkvölker bekannt, und somit die Verwendung als Spiegel er- 
möglicht wurde. Die Form und Verzierungsanordnung der Vorderseite blieb die 
gleiche, nur wurde die Öse mit Kordel, die auf der Rückseite bisher die Platte 
am Gürtel befestigte, jetzt auf der Vorderseite angebracht und die bisherige Spitze 
zu dem durchlochten Knopfe ausgestaltet. Die Kreiszonen, die sich auch auf 
dänischen Scheiben finden, werden ebenfalls aus alter Zeit übernommen worden 
sein. Die neue Technik des Spiegelbelags dürfte, wie so vieles in der Zeit der großen 
Reformen, aus dem Westen übernommen worden sein, aber die ältere traditionelle 
Verzierungsform des Nordens blieb beibehalten. 
Die Metallspiegel haben eine ganz andere Legierung als alle übrigen Bronzen. 
Schon unter der Choudynastie waren genaue Regeln für die Mischung von 
Kupfer und Zinn zur Herstellung der Bronze festgelegt; während die Opfergefäße 
und Glocken auf fünf Teile Kupfer nur einen Teil Zinn erhielten, wurden bei Spiegeln 
2'/, Teile, also die Hälfte, Zinn beigemischt. Daher kommt es, daß Bruchstellen 
stets weiß aussehen. Leider fehlen genaue Übersetzungen von den sehr aus- 
führlichen technischen Berichten des Chouli. Die technischen Ausdrücke dürften 
dem Übersetzer viele Schwierigkeiten bereiten. 
Der Spiegel war je nach seiner Größe konkav oder konvex geschliffen, so 
daß gerade der volle Menschenkopf sichtbar war. Nach einer Schrift!) aus dem 
11. Jahrhundert soll dies „später vernachlässigt worden sein, als man nur noch gießen 
und polieren konnte“. Die praktische Verwendung des Toilettenspiegels können 
wir gut auf dem Gemälde von Ku Kaichih aus dem 4. Jahrhundert (Bd. I, Abb. 81) 
kennen lernen. 
Der Spiegel hat niemals eine symbolische Bedeutung, die zu Aberglauben 
ausartete, verloren. Besonders als Schutz gegen den Teufel wurde er über das Bett 
gehängt und ebenso gegen Krankheit. Ein Zerbrechen von Spiegeln galt als Unglück. 
Das Staatsfeuer für Opferzwecke wurde durch den Spiegelreflex der gesammelten 
Sonnenstrahlen entzündet. In der Kunst wird die Göttin des Lichtes, die Begleiterin 
des Donnergottes, mit einem oder zwei Spiegeln in der Hand oder über ihrem Kopfe 
dargestellt. In alten vorchristlichen Gräbern finden sich Spiegel an der Decke 
befestigt zur Belichtung gewisser Stellen in den dunklen Gewölben. In späterer 
Zeit wurden Spiegel zum Schmuck, nicht zur Beleuchtung, von Decken in Tempeln 
und an Grabhallen verwendet. 
Eine wirklich künstlerische Ausschmückung der runden Spiegelscheiben begann 
erst in der Hanzeit, als der mittelasiatische Stil (Bd. I, Abb. 37—39) mit reichen 
Rankenmotiven und Tierdarstellungen zum Vorbilde wurde. Nachweisbare Original- 
spiegel aus der Chouzeit (1129—246 v. Chr.) sind nicht erhalten, und da in den Schriften 
— nach Hirth — keine Ornamente beschrieben sind, so werden sie wahrscheinlich 
1) Hirth, Chinese metallie mirrors. New-York 1906. 
 
	        
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