Full text: Die Baukunst. Das Kunstgewerbe: Bronze, Töpferei, Steinarbeiten, Buch- und Kunstdruck, Stoffe, Lack- und Holzarbeiten, Glas, Glasschmelzen, Horn, Schildpatt, Bernstein und Elfenbein (Band 2)

Metallmischung — Verzierung — Typen — Hanstil 161 
nur mit Kreisringen und breitem, etwas erhöhtem Rande verziert gewesen sein. 
Berichte über Spiegel aus der Zeit der Tsindynastie (220—206 v. Chr.) betonen aus- 
drücklich, daß die Oberfläche glänzend schwarz war, aber glatt, also ohne 
Ornament. Die chinesischen Historiker geben diesen glatten Spiegeln ihres Alters 
wegen den ersten Platz. 
Der Pokutulu bringt über 100 Abbildungen von Metallspiegeln, von denen die 
kleinere Hälfte der Hanzeit und der Rest der Tangzeit angehören. Das war der 
ganze Besitz an Spiegeltypen des Kaisers von China im 12. Jahrhundert, und heute 
finden wir in manchen europäischen Sammlungen ebensoviel Arten oder noch mehr! 
Hier ist ganz besonders das zu bedenken, was ich ($. 100) über die Zeichnungen in 
den Katalogen und die tatsächliche Ausführung gesagt habe. Bis jetzt fehlt ein 
Stück aus einem antiken Grabe, dessen Errichtungszeit feststände und sichere Anhalts- 
punkte geben könnte. Die bisher bekannt gewordenen dekorierten Hanspiegel 
sind alle ohne Datierung, so daß das Stück selbst uns nichts über die Zeit seiner 
Entstehung verrät. 
Die Zeichnungen im Pokutulu und im Sitsing, die einzigen Nachrichten über 
die antiken Spiegel, geben wahrscheinlich den neuen Hanstil mit Ranken und Tieren 
sehr richtig wieder. Aber wie war die Ausführung? War wirklich alles, was der 
Sungkünstler so deutlich und elegant zeichnete, ebenso deutlich und elegant in der 
Bronze geformt? War Auge und Hand bereits genügend geschult? Sicher wollte 
der Hankünstler Tiere und Pflanzen lebendig zeichnen, aber sein Können wird nur 
dem der gleichzeitigen Töpfer und Steinmetzen entsprochen haben. 
Alle Angaben wegen Patina, Oxydation, Gewicht usw. können wichtig sein, 
wenn wir zum Vergleich einige sichere Originalstücke haben, aber da sie fehlen, 
gibt es nur ein einziges Mittel, um wenigstens den Versuch einer Zeitbestimmung 
zu machen, und das ist der Vergleich der Ornamente und ihrer Ausführung. Viel- 
leicht werden meine stilkritischen Erwägungen durch Ausgrabungen widerlegt, aber 
so lange das nicht geschehen ist, müssen wir wenigstens das kritiklose Nachreden 
aufgeben und mit eigenen Augen zu sehen versuchen. 
Aus der Hanzeit liegen zahlreiche datierte Arbeiten anderer Techniken vor. 
Wir kennen die bewegten Menschen- und Tierdarstellungen auf den Stein- 
reliefs (Bd. I, Abb. 2532), die Löwenskulptur in freistehender Plastik (Abb. 89) 
und wir werden bei den Dachziegeln mit Relief und zahlreichen Töpfereien mit 
Tier- und Bergdarstellungen (Abb. 375, 377, Bd.I, Abb. 40—67) der gleichen Art 
begegnen. Alle diese Stücke haben einen gemeinsamen Stil. Der Anfang einer 
Naturbeobachtung ist vorhanden, aber noch ist die Ausführung unbeholfen und im 
Banne einer erstarrten Konvention. Sollten die Hanspiegel eine sehr viel andere 
Ausführung zeigen? Ein Vergleich der Neudrucke der Sammlungskataloge mit dem 
handkolorierten Kaiserexemplar des Sitsing erklärt die ganze Verwirrung, die heute 
bei der Beurteilung des Spiegelalters besteht. Die Abweichungen der beiden 
Ausgaben sind so ungeheuerlich, daß Vierfüßler zu Ornamenten und Arabesken 
zu Tieren werden. Viele Stücke sind überhaupt nicht wiederzuerkennen. Zugleich 
lernen wir in der Malerei des Originalwerkes das flache und zarte Relief kennen, 
während die in Europa befindlichen Spiegel meist hart und scharf ausgearbeitet sind. 
Am kostbarsten wird eine grün patinierte Scheibe mit breitem, etwas er- 
höhtem Rand und Mittelknopf ohne jede Verzierung geschätzt. Die meisten 
Spiegel haben Schriftzeichen, geometrische und hellenistische Ranken (Abb. 270) oder 
einfache Perlenstäbe in Kreisstreifen, daneben kommen auch Tiere und vereinzelt 
Menschen vor. Für alle Spiegel charakteristisch ist die Füllung der ganzen 
Fläche, die Kreiseinteilung in Zonen und ein flaches, nicht stark hervortretendes 
Relief. Häufig ist eine innere Kreislinie mehrfach mit der Spitze sternartig nach 
dem Außenrand gebuchtet (Abb. 271). 
Münsterberg, Chinesische Kunstgeschichte II 11 
 
	        
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