Full text: Die Baukunst. Das Kunstgewerbe: Bronze, Töpferei, Steinarbeiten, Buch- und Kunstdruck, Stoffe, Lack- und Holzarbeiten, Glas, Glasschmelzen, Horn, Schildpatt, Bernstein und Elfenbein (Band 2)

  
  
Traubenspiegel — Landschaften 165 
Sollten wir nicht unter diesen Umständen vorsichtig sein und uns lieber an das 
halten, was wir sicher wissen und daher als wahrscheinlich hinstellen dürfen. Dann 
können wir aber nur sagen, daß die in Fülle erhaltenen, wunderschön ausgeführten 
Spiegel frühestens der Tang- oder Sungzeit angehören, wenn es nicht noch jüngere 
mechanische Abgüsse der alten Stücke sind, die in bezug auf die Stilistik allerdings 
gleich wertvoll wären. Daneben kommen zahlreiche minderwertige Fälschungen vor. 
Im 6. Jahrhundert haben wir die eleganten Bordüren auf Steinreliefs, überhaupt eine 
neue Schule, einen Ausklang der hellenistischen Kultur, im Dienste der buddhistischen 
Kunst kennen gelernt. Gleichzeitig fand eine glänzende Entwicklung der Malerei und 
aller anderen Künste statt. Deshalb erscheint es mir richtiger, vielleicht von dem Auf- 
kommen des neuen Stiles der Traubenspiegel zur Hanzeit zu sprechen, aber die künst- 
lerische Durcharbeitung und elegante Ausführung ganz allgemein in die Tangzeit zu ver- 
legen, bis wir mehr datiertes Material besitzen, um für genauere Zeitbestimmungen die 
Anhaltspunkte gewinnen zu können. 
Die herrlichen Schätze des Kaisers 
von Japan zeigen uns den neuen male- 
rischen Tangstil auf der Höhe der 
Vollendung. Über die Ornamentik, 
die Blumenranken und die Vierfüßler 
im „fliegenden Galopp“ habe ich an 
anderer Stelle (Bd. I, S. 54—56) aus- 
führlich gesprochen, so daß nur das 
Charakteristische in der Ausführung 
der Tangzeit zu untersuchen ist 
(Abb. 272, 273). Die runde Form mit 
Knopf, die Kreiszoneneinteilung, das 
Füllen der ganzen Fläche, die Ranken- 
verzierungen, das Vorkommen der 
Weintraube und die zwischengefügten 
Tiere in lebendiger Bewegung können 
in der Hanzeit schon bekannt gewesen 
sein, aber die malerische Behandlung 
  
ER a ä = Abb. 275 Spiegel, rundes Relief auf Rückseite, Bronze, 
der Komposition, die weiche Modellie- Berge und Wasser, Mann im Boot, Menschen, Tiger und 
Z > r _ Vögel, angeblich von der Kaiserin Nahito, Mutter des 
rung des stark heraustretenden Hoch Prinzen, Shotokin, 502 61. gebraucht 
reliefs, die gerundete, elegante Linien- (Nach japanischer Zeiehnung) 
führung und der feine Guß zeigen die 
künstlerische Vollendung des Metallgsusses der luxuriösen Tangzeit. Andererseits ist 
nicht ausgeschlossen, daß überhaupt erst Vorbilder persischer Sassanidenkunst die 
eigenartige Zwischenfügung der Tiere in die Ranken im 7. Jahrhundert veranlaßt 
haben und die Angaben im Pokutulu irrtümlich gemacht worden sind. 
Dem 7. Jahrhundert wird ein Spiegel (Abb. 275) zugeschrieben, dessen Bild 
viel steifer erscheint. Statt der offenbar aus einer reifen westlichen Kunst über- 
nommenen Motive der Traubenspiegel ist hier eine heimische Landschaftsmalerei 
übertragen. Berge und Wasser, mit dazwischengesetzten Personen, sind in steifer 
Konvention ornamental, aber doch geschickt auf der Fläche angeordnet. Ganz 
ähnlich ist ein anderer Spiegel (Abb. 274,8) ausgeführt. !) 
Unsere Abbildungen (Abb. 274) zeigen die verschiedenen Motive besser als 
Worte beschreiben können. Es ist derselbe Stil, den wir bei den Metallarbeiten 
mit Edelmetalleinlagen und Gravierungen, bei den Einlagearbeiten und Lack- 
malereien auf Holz und bei den Stoffen aus der Tangzeit wiederfinden. Rosetten- 
1) A Chinese bronze mirror in the Collection of the Imperial Household, Kokka, 
Heft 250, Abbildung, 
 
	        
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