xXX Einleitung
japanischem Privatbesitz größten Zweifeln begegnen müssen. Die heute vorliegen-
den Datierungen und Benennungen stammen meist von japanischen Experten,
über die Kümmel!) sehr treffend sagt: „Es ist ein offenes Geheimnis, daß von ziem-
lich allen Experten ziemlich jedes Zeugnis zu erlangen ist — und war.‘ Weiter:
„Eine Bezeichnung beweist an sich für die historische Stellung und künstlerische
Qualität eines Kunstwerkes gar nichts.“
" Dazu kommt, daß, wenn wirklich ein Name als echt erkannt sein sollte, oft
gar kein Anhalt für Zeit und Stil des Kunstwerkes gegeben ist. In der Kokka2) ist
zum Beispiel ein Gemälde abgebildet, das Hsia Sheng signiert ist. Der japanische
Kunstforscher setzt aber ehrlicherweise hinzu, daß es viele Maler mit dem Namen
Hsia gab, und daß es deshalb schwer zu sagen sei, welcher gemeint ist. Nach
seiner Meinung erinnere der Stil des Pinsels an Hsiang Kueis Art, aber Yasunobu
Kano hat es Chi T’ang zugeschrieben, wegen seiner Berühmtheit für die Zeichnung
von Kühen.
Eine weitere Kompliziertheit ergibt sich bei der europäischen Schreibweise
der Namen. Jedes Land hat seine eigene Transkribierung der asiatischen Laute,
und selbst innerhalb eines Sprachgebietes herrscht keine Einheitlichkeit. Hierzu
kommt noch der in Asien sehr beliebte Wechsel der Namen. Zum Beispiel Hsieh
Chin in der Mingzeit wurde auch Kung chao genannt und benutzte als Pseudonym
Kueichiu oder Lungtingsheng oder Shengtsu Taojin. Wu Wei wurde auch Shihying,
auch Lufan und später Tzuweng genannt und führte das Pseudonym Hsiaohsen usw.
Bei den anonymen Werken des Kunstgewerbes sind die Entscheidungen über
die Echtheit und Entstehungszeit ebenso schwierig wie bei den Malereien, und die
japanischen Angaben — moderne chinesische sind erst ganz vereinzelt vorhanden —
erscheinen oft recht willkürlich. Auch hier werden statt stilkritischer Untersuchungen
meist Traditionen oder Gutachten von Experten angeführt. Aber selbst wenn
Textstellen aus chinesischen Schriften und gar aus alten Büchern zum Beweise
herangezogen werden, so besitzen sie durchaus nicht eine zwingende Beweiskraft.
Die Auslegung einzelner Stellen bildet einen Streitpunkt der chinesischen Gelehrten
seit Jahrhunderten, und um wieviel schwieriger ist eine richtige Übersetzung für
den Nichtchinesen !
„Es ist nicht schwer,?) jedem Sinologen ohne Ausnahme Fehler in seiner Über-
setzung nachzuweisen, zumal wenn dem betreflenden Kritiker ein guter Lettre zur
Seite steht. Dazu bedarf es nicht einmal besonders großer Kenntnisse. Die chinesische
Sprache entbehrt der Präzision der flektierenden Sprachen, und ein Satz läßt oft
die verschiedensten Deutungen zu.“ Dazu kommt, daß bei mehreren antiken
Schriften ihre Echtheit angezweifelt wird und bei der Auslegung vieler Worte selbst
unter den chinesischen Gelehrten verschiedene Meinungen bestehen. Also mit den
Beweisen aus den ostasiatischen Schriften können wir unter größter Vorsicht einige
Anhaltspunkte gewinnen, aber für die Echtheitsbestimmung des Stiles oder gar
des einzelnen Gegenstandes ist gar nichts bewiesen.
Ferner unterlag die Mode des Geschmacks und das technische Können geradeso
wie in Europa einem beständigen Wechsel. Somit bilden Lob und Verehrung
des chinesischen Kunstkritikers aus einer gewissen Periode nur einen historischen,
keinen absoluten Wertmaßstab. So sind auch moderne japanische Kunstkritiker
als einseitige Liebhaber gewisser ästhetischer Richtungen ohne Verständnis für
eine objektive Würdigung der anderen Kunstepochen. Ihre Werturteile wirken
!) Kümmel, Kunstgewerbe in Japan, 1911, S. 171.
2) Kokka, Heft 165, Tafel Nr. 359.
3) Forke, Se Wang Mu, Seminar für orientalische Sprachen, 1906, IX, I., S. 409.