Full text: Die Baukunst. Das Kunstgewerbe: Bronze, Töpferei, Steinarbeiten, Buch- und Kunstdruck, Stoffe, Lack- und Holzarbeiten, Glas, Glasschmelzen, Horn, Schildpatt, Bernstein und Elfenbein (Band 2)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
249 Töpferei — Sungzeit 
Sung- und Yuanzeit (960— 1368) 
Allgemeines 
In der Sungzeit erlebte die & lasurkeramik der Tangzeit ihre Vollendung. 
In moderner Zeit wird in völlig einseitiger Weise unter dem Einfluß gewisser japani- 
scher Kreise diese Art der Töpferei als die vollendetste keramische Ausdrucksform 
in der Welt bewundert. In Wirklichkeit ist sie genau so der Ausdruck eines gewissen 
Zeitgeistes, wie anderen Kulturzeiten notwendigerweise andere Ausdrucksformen 
entsprechen müssen. Wohl lassen sich gute und schlechte Qualitäten in jeder Aus- 
führung unterscheiden; aber es ist keine wissenschaftliche Bewertung mehr, sondern 
eine rein subjektive und daher einseitige Wertschätzung, wenn die Modestimmung 
einer zufälligen Zeitströmung gewisse Techniken als die absolut wertvollsten ein- 
schätzen will. Ein Liebhaber kann wohl sagen, daß er einen guten Rembrandt einem 
gleichwertigen Raflael vorziehe, aber ein wissenschaftlicher Forscher muß beiden Kunst- 
stilen gerecht werden und innerhalb eines jeden die beste Qualität würdigen. 
Bei Betrachtung der Malerei hatten wir den Geist der Zeiten kennen gelernt. 
Unter der Tangdynastie war jener neue Stil aufgekommen, der die materielle Wahr- 
heit in der Natur durch die Stimmungsmalerei übertönte (Bd. I, S. 190 und S. 254). 
Man war bestrebt, mit weichen Farbtönen, in oft etwas nebelhaften Landschaften 
die Seele der Natur zu erfassen, während die zufällige Einzelform der Natur ver- 
nachlässigt wurde. 
Diesem künstlerischen Geiste entsprechend wurde in der Keramik die Darstellung 
von den nach der Natur geformten Totenbeigaben nicht weiter gepflegt. Auch die 
plastischen Darstellungen mit ihren sorgfältigen Einzelausführungen kamen außer 
Mode. Dagegen blieben die einfachen, in weicher Linienführung geformten Gefäße 
mit den monochrom gefärbten Glasuren für die folgenden Jahrhunderte ein charakte- 
ristischer Stil. Wie die Maler ihre weichen Pinselflecke in zarte Nebel auflösten, 
so daß oft nur wie im mystischen Schimmer undeutlich die Zeichnung erraten werden 
konnte, so wurden mit. großer Vollendung die zart gefärbten Glasflüsse um die ge- 
rundeten Formen des Scherbens geführt. Keine Zeichnung belebte sachlich erzählend 
die Fläche. Der schimmernde Glanz, das Lustre der Glasur und die zarte Tönung 
der Farbe, oft durch Haarrisse oder Flecke unregelmäßig belebt, sagten den sinnenden 
Grüblern und Dichtern der Sungzeit mehr als eine deutliche Ausführung der Zeich- 
nung es vermocht hätte. Erst die Mingzeit mit ihrer so anders gearteten Weltan- 
schauung griff wieder auf die Art der Han- und älteren Tangzeit zurück. 
Die Werke der Dichter und Historiker, die den Ruhm der vollendeten Sung- 
stücke künden, sind erhalten, aber keine Originalarbeiten. Schon aus den Zeiten des 
eifrigen Sammlers Kienlung im 18. Jahrhundert berichten die Forscher,!) daß Tang- 
töpfereien gar nicht vorhanden und Sungstücke so selten wie „Sterne in der Däm- 
merung“ seien. Von der Qualität der besten Glasuren können wir uns daher gar keine 
Vorstellung machen. Viele hundert Töpfereien in Sammlungen Japans, Amerikas 
und Europas werden zwar der frühen Zeit zugeschrieben, aber der Beweis der 
Echtheit fehlt völlig. Die wenigen Stücke, deren Fundstellen aus chinesischen 
Gräbern (Abb. 389 und 390) oder aus abgelegenen Ländern feststehen (Taf. ID), 
sind durchaus minderwertig. Aber hieraus allein läßt sich keine Folgerung ziehen, 
denn es können schlechte Stücke für den Totenkult oder Export gewesen sein, die 
neben der besten Ausführung hergestellt wurden. 
1) Cosmo Monkhouse, Chinese porcelaine, by Bushell S. 8.
	        
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