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Polychrome Malerei 263
Mingzeit
(1368 — 1644)
Jeder Dynastiewechsel in China war mit politischen Neuerungen verbunden,
die auch in dem Kunstgewerbe ihr Widerspiel fanden. Die fremdländische Mongolen-
dynastie hatte nicht mit modernen Ideen, sondern mit brutaler Barbarengewalt
die Herrschaft an sich gerissen; daher fehlte ihr die Kraft, neue geistige Werte aus
sich heraus zu schaffen. Sie vernichtete im Gegenteil die feine Blüte der Sungkunst;
aber ihre Weltmachtstellung brachte Reichtum und Glanz, wodurch die Anregung
zu einer virtuosen Entwicklung aller Techniken ‘gegeben wurde.
China wurde wieder, wie einst zur Zeit der Tangherrscher und der persischen
Sassaniden, in den Welthandel gezogen, und der Hof KublaiKhans war ein glänzender
Mittelpunkt, an dem die Vertreter aller Kulturmächte sich trafen. Die Berichte
von Marco Polo haben wir wiederholt erwähnt; von ihm ist eine zuverlässige
Reisebeschreibung erhalten, aber viele Missionare, Kaufleute und Handwerker zogen
den gleichen Weg, ohne schriftliche Aufzeichnungen zu hinterlassen. Auf den
belebten Karawanenstraßen von Europa nach dem Osten Asiens und umgekehrt
verkehrten zahlreiche Menschen, von denen allerdings nur wenige den ganzen Weg
zurücklegten, denn die meisten begnügten sich mit Teilwegen bis zum Umlade- und
Marktplatz. Zu Schiff landeten wieder die Araber, deren direkter Handel seit dem
9. Jahrhundert unterbrochen war. Der Haupthafen war Futschou geworden.
Mit den Menschen und Gütern kamen auch neue Techniken und Kunstformen.
Ihre Nachahmung in Verbindung mit der alten Tradition begründete die glänzen-
den kunstgewerblichen Erfolge Chinas in der modernen Zeit. Was in der Mongolenzeit
begonnen, reifte in der nationalen Mingzeit zur Blüte und wurde im 17, Jahr-
hundert weiter gepflegt. China selbst rüstete damals Flotten aus und segelte bis
Ceylon und Arabien, so daß es ohne Zwischenyölker direkte Nachricht über Leben
und Sitten der fernen Völker erlangte.
Die chinesischen Annalen berichten, daß arabische Glasbläser im Anfang des
15. Jahrhunderts auf heimkehrenden Schiffen nach China kamen. Die Sprache be-
wahrt im Namen des Emaille cloisonn@ ihre Einführung aus dem Westen, und die
erste blaue Malfarbe für Porzellan wird ‚„mohammedanisches“ Blau genannt. Auch
soll die älteste Porzellanmalerei arabische Schriftzeichen aufweisen.
Diese drei Techniken hatten über ihre eigene Bedeutung hinaus einen viel
weiter reichenden Einfluß. Durch das westasiatische Vorbild wurde der Sinn für
bunte Farben und für die rein dekorative Verzierung erweckt. Galt die Sungperiode
als die Zeit der monochromen Glasuren, als die Seladonzeit, so kann die Mingzeit als
die der polychromen Malerei gelten. Nachdem der Sinn für bunte Farben geschult
war, wurden immer neue Farbenwirkungen angestrebt und erzielt. Neben den
in der Masse gefärbten Glasuren, deren Farben in begrenzter Zahl im Feuer durch
chemische Umformung der Stoffe entstanden, kam es auf, Glasuren mit Farbstoffen
zu färben; es begann die Malerei unter der durchsichtigen Glasur und schließlich
die Malerei über der Glasur. Damals stellte man nach westlichem Vorbilde ein Himmel-
blau her und erzeugte glänzende rote und gelbe Färbungen; auch ganze Gemälde
wurden auf die Gefäßfläche übertragen,
Diese neuen Ideen und Techniken ermöglichten eine viel umfassendere Farben-
skala als bisher, aber trotzdem werden wir sehen, daß man auch in der Mingzeit
nicht verstand, alle Farben herzustellen. Viele Farbenakkorde wurden erst in späteren
Zeiten die wesentlichen Merkmale der weiter entwickelten Technik.
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