Full text: Die Baukunst. Das Kunstgewerbe: Bronze, Töpferei, Steinarbeiten, Buch- und Kunstdruck, Stoffe, Lack- und Holzarbeiten, Glas, Glasschmelzen, Horn, Schildpatt, Bernstein und Elfenbein (Band 2)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
264 Töpferei — Mingzeit 
Die Formen atmeten unverändert den altgeheilisten Geist der Tradition, 
aber die Ausführung wurde exakter im einzelnen, wenn auch weniger elegant und 
weniger großzügig in sich geschlossen. Daneben kamen auch moderne keramische 
Formen auf. 
Schon im zweiten Jahre der Regierung des Gründers der Dynastie wurde in 
der alten Töpferstadt Chingtechen eine besondere Fabrik errichtet, um den in den 
Kriegen geplünderten und zerstörten Kaiserpalast mit neuen Kunstwerken zu ver- 
sehen. Damals erließ der Kaiser den Befehl, die Stücke mit Zeitmarken zu 
versehen. Seit dieser Zeit findet sich vielfach, nicht immer, das Siegel des regierenden 
Kaisers auf dem Boden angebracht. 
Boccaro-Tonwaren 
Wir haben bei den Metallarbeiten neben den stilisierten Bronzeformen eine 
realistische Ausführung ($. 144) kennen gelernt, die an antike hellenistische Silber-. 
ziselierungen und rote Tonarbeiten erinnerte. Dieser Stil wurde in China auch in Ton 
nachgebildet, und das leicht zu formende Material gestattete eine gar kunstvolle 
Ausarbeitung (Abb. 402). 
Es ist eigentlich eine 
stillose Kunst, die nur 
in dem ungefähren Auf- 
bau der Grundform 
noch einen künstlerischen 
Rhythmus aufweist, wäh- 
rend im übrigen eine 
Nachahmung der Zufäl- 
liskeiten der Natur an- 
gestrebt wurde. 
Ganz besonders wurde 
dieser Stil bei Töpfereien 
- Ric > in braun und rot ge- 
a b e färbtem Ton gepflest, !) 
    
Abb. 402 Blumenvasen, glasierter Ton, Sammlung Laufer, Chicago. die an ıhr ursprüngliches 
a Pilz (Lingehih) mit jungen Pilzen, Symbol des langen Lebens, : a 
b Bambusstamm mit jungem Bambus und Blättern, im Relief herum- Vorbild der römischen 
gelegt, ce Oberfläche wie verwittertes Holz ausgeführt 5 enge ® 
Mingzeit, 1308 bis 1644 Terra sigillata in Farbe, 
(Originalaufnahme Franke, Hamburg) Material und häufig auch 
im Relief erinnern. Die 
Blütezeit dieser Technik 
bestand ungefähr im Anfange des 16. Jahrhunderts in den Fabriken zu Yihsing, 
in der Nähe des Westufers des Taiwusees, wenige Meilen von Shanghai am 
Yangtsekiang hinauf. Aber sicher handelt es sich um eine viel ältere Fabrikation, 
die unter dem Einfluß westlicher Kultur im ersten Jahrtausend n. Chr. aufgekommen 
war. Die Mingzeit brachte die Vollendung der Technik und ihre massenhafte An- 
wendung. Ein Hochglanz, wie er bei den römischen Arbeiten durch einen Beguß 
von blutrotem, eisenoxydhaltigem Ton — nach Fischer und Blümlein —— erreicht 
wird, blieb in China unbekannt. 
Als die Portugiesen diese Tonwaren zum ersten Male nach Europa brachten, 
wurden sie von ihnen Boccaro genannt, und dieser Name ist bis heute beibehalten 
1) Bushell, Chinese art, Bd. II, Fig. 3. Töpfereien von Yihsing. Teetöpfe in Form 
eines Flöteninstrumentes und in Form von Früchten. Ausführliche Übersetzung chine- 
sischen Textes bei Brinkley, China, Ceramic art, Bd. IX, S. 354—363. 
 
	        
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