Boccaro — Farbiges Steingut 265
worden. Es handelt sich hierbei weniger um ästhetisch besonders hervorragende
Kunstwerke, als um sehr exakt und sauber ausgeführte Gebrauchsware. Für uns haben
diese Töpfereien aus historischem Grunde ein besonderes Interesse, denn sie waren die
Vorlagen für das rote Porzellan, das Böttger 1708 in Dresden zuerst herstellte. In
Staffordshire wurde seit 1690 von Elers die Nachahmung in Form und Farbe und selbst
mit den chinesischen Marken so gut ausgeführt, daß Franks die Unterscheidung
zwischen englischen und chinesischen Stücken oft für sehr schwierig hält. Allerdings
wurde in Europa nur die rote Färbung mit Relief hergestellt und nicht die oft eigen-
artigen Tönungen Chinas. In Japan wurde die chinesische Boccaroware vorbildlich
für die berühmten Bankofabriken. Wenn auch dort bald eigene Formen und Deko-
rationen geschaffen und der Scherben leichter gehalten wurde, so blieb doch die
getreue Nachbildung chinesischer Stücke daneben geschätzt.
Als der erste erfolgreiche Meister von Yihsing wird Kungchun (um 1500) er-
wähnt. In den Annalen folgt eine Liste von Namen bis um 1640, aber immer
scheint der gleiche Stil gepflegt worden zu sein. Nur bei Tung Han, um die Wende
des 17. Jahrhunderts, steht vermerkt, daß er der erste war, der die Oberfläche mit
ausgearbeiteten Reliefmustern versah, wie es die europäischen Nachahmungen auf-
weisen. Moderne Arbeiten dieser Art sind massenweise aus China und Japan ex-
portiert worden.
Besonders interessant sind dünnwandige, durchscheinende Gefäße, die ihre
Farbe beim Einfließen von Flüssigkeit verändern (Taf.X, r, s). Derartige Techniken
haben schon viel früher bestanden, denn auf sie bezieht sich offenbar jene be-
rühmte Stelle des arabischen Reisenden Solyman aus der Mitte des 9. Jahrhunderts
über die „durchscheinenden Flaschen“ aus sehr feinem Ton, bei denen man die ein-
gegossene Flüssigkeit durch den Scherben sehen kann. Ähnliche durchsichtige
Fayencen kommen auch in Persien vor. Man wollte aus dieser literarischen Angabe
den Schluß ziehen, daß es sich schon damals um richtiges Porzellan gehandelt hätte,
aber durchsichtiges Porzellan, sogenanntes Eierschalenporzellan, dürfte zum ersten
Male im Anfang des 15. Jahrhunderts hergestellt worden sein. Zu einer Zeit, als man
nur das schwere und plumpe Steingut mit diekflüssiger Glasur kannte, mußte der
dünnwandige Ton schon sehr auffallend erscheinen, umsomehr, da Glas und über-
haupt jedes durchscheinende Material unbekannt war.
Originalstücke in dieser Technik waren bereits im 16. Jahrhundert in China
sehr selten. Hsiang, der die obigen Abbildungen uns überliefert hat, bemerkt, daß
die Teekannen der Sammlung eines Prinzen in Peking angehören und damals für
500 Taels (ungefähr 700 Dollar heutigen Geldes) von einem hohen Offizier aus Nan-
king erworben worden waren.
Farbiges Steingut und Fayence
Die Fabrikation von Dachziegeln haben wir schon in der Hanzeit (Abb. 377)
kennen gelernt. Die Glasuren erlangten im Mittelalter eine große Vollendung, wenn
auch die Härte und Dauerhaftigkeit des Scherbens zurückging. Glasierte Tonziegel
waren bis zum 16. Jahrhundert ein bedeutender Exportartikel nach Japan.!) Von
srünen Glasuren hören wir schon in früher Zeit, wann aber die Mode der anders-
1) Münsterberg, Japanische Kunstgeschichte, Bd. II, S. 26 u. 35. Unter der Kaiserin
Jito (690—696) sollen die ersten Dachziegel in Japan angefertigt worden sein, aber Massen-
fabrikation kam erst Ende des 16. Jahrhunderts auf. Zum Ersatz der Tonziegel fertigte
man vorübergehend in Japan massive Kupferziegel an, da die für den Export besonders
leuchtend hergestellten glasierten chinesischen Ziegel ebenso teuer kamen.