Full text: Die Baukunst. Das Kunstgewerbe: Bronze, Töpferei, Steinarbeiten, Buch- und Kunstdruck, Stoffe, Lack- und Holzarbeiten, Glas, Glasschmelzen, Horn, Schildpatt, Bernstein und Elfenbein (Band 2)

Porzellan — Blaue Farben — Westliches Blau 271 
Fundorten, zwischen Töpfereien aus Raqga am Euphrat, Rhagas bei Teheran, 
Sultanabad in Zentralpersien, Syrien usw. zu unterscheiden. Wenn wir alle 
persischen und syrischen Typen als gemeinsame Gruppe gegenüber den chine- 
sischen Sungtöpfereien betrachten, so finden wir alle wesentlichen Neuerungen in 
China aus der Mingzeit als die charakteristischen Eigenheiten Westasiens gegenüber 
Ostasien. So drängt sich die Überzeugung auf, daß die chinesische Blauweißmalerei 
in Farbe, Technik und Dekor nach dem persisch-syrischen Vorbilde geschaffen ist. 
Die letzten Jahre haben uns so herrliche blaue Fayencen aus dem mohamme- 
danischen Westen Asiens gebracht, daß wir wohl verstehen können, daß die Chinesen 
die Leuchtkraft des Blau als anzustrebendes Ideal betrachteten. Das Seladon hatte 
den Vorzug der Härte und Schwere, aber es sah blaß und matt aus gegenüber 
den persischen leuchtenden Fayencen. Dazu kam, daß die Mingzeit mehr Freude 
an der Farbe als an 
der Tönung hatte. Das 
chinesische Blau der 
späteren Zeit hat viele 
Vorzüge der Zwischen- 
töne und vor allem 
der vortrefflichen Vor- 
tragsfähigkeit für Ge- 
mälde, aber selbst das 
Beste reicht in Glanz 
und Tiefe nicht an das 
Beste Persiens und 
Syriens heran. 
Das Blau muß in 
Westasien schon in 
früher Zeit hergestellt 
worden sein, denn auf 
dem Torso eines Wand- 
  
“ Se Abb. 409 Tiefe Kumme, Blauweiß-Porzellan, 24 em hoch, mit Phönix, 
gemäldes, das Pelliot ) Lotos, Vogel auf Berg, wilde Gans am See, Schmetterlinge zwischen 
aus einem  zentral- Blumen, Drachen, in Fächern zwischen Ornamenten; die englische ver- 
.: goldete Silbermontierung ohne Stempel, dem Stile nach aus dem Ende des 
asiatischen Höhlen- 16. Jahrhunderts, Glasur wie Wasser, Zeit von Wanli (1573 bis 1620) 
(Aus: Bushell, Ming powl with silver-gilt mounts ‚of the. Tudor period. 
tempel etwa aus dem Burlington Magazine, August 1908) 
8. oder 9. Jahrhundert Text s. 8. 272 
mitgebracht hat, hält 
ein Buddha eine Bettlerschale in traditioneller Form (Abb. 383), die ein leuchtendes 
Marineblau aufweist. Aus dem Osten konnte eine derartige Töpferei unmöglich 
stammen. Im Westen war das Fabrikationsgeheimnis der grünen Seladone ebenso 
unbekannt wie im Osten die Herstellung der blauen Fayencen. 
Am Ende des 12. Jahrhunderts wurde die glasierte Fliese einfarbig in Blau bei 
den seldschuckischen Denkmälern im nordwestlichen Persien verwendet, und in der 
Mitte des 15. Jahrhunderts wurde sogar die berühmte ‚blaue‘ Moschee von Tebriz 
errichtet.?) Man findet also in Westasien eine verschwenderische Anwendung der blauen 
Farbe unter der Glasur, während im Osten in der gleichen Zeit schon eine bläuliche 
Schattierung des Seladongrüns als Seltenheit geschätzt wurde (8. 238). Es ist 
daher nur natürlich, daß die Chinesen im Streben, die gleiche Wirkung zu er- 
reichen, „mohammedanisches“, d. h. persisches oder syrisches Blau einführten. 
1) Aufgestellt im Pelliotsaal, Louvre, Paris. . . 
°) Sarre, Denkmäler persischer Baukunst, geschichtliche Untersuchung und Auf- 
‚nahmen mohammedanischer Backsteinbauten in Vorderasien und Persien; Berlin 1910. 
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