272 Töpferei — Mingzeit
Über dem Blau in vielen Nüancen finden wir eine durchsichtige, wie Wasser
schimmernde Glasur, wie man sie in China erst im 15. Jahrhundert, im Westen
Jahrhunderte früher herzustellen verstand. Aber auch der Pflanzen- und Ranken-
dekor sowie dieAnbringung von Menschen und Bildern haben nach meiner bisherigen
Kenntnis keine Vorläufer in der chinesischen Kunst vor der Mingzeit gehabt. Wenn
wir z. B. einen dunkelblauen Arabello!) aus dem 12. oder 13. Jahrhundert aus Syrien
mit chinesischen Porzellanen des 16. Jahrhunderts vergleichen, so sehen wir bei
beiden übereinstimmend einmal die Einteilung in durch Linien abgeteilte Felder
und ferner ein Rankenornament, das, jeder Konstruktion entbehrend, rein dekorativ
die Fläche füllt. Beides ist typisch für alle späteren, speziell blauweißen Porzellane
Chinas (Abb. 409, 410, 5, 412), während die Seladone eine ganz andere Pflanzenranke
in mehr strenger antiker Konstruktion (Taf. VIII, a) oder malerischer Art (Taf. IV, c)
aufweisen, und die buntfarbigen Por-
zellane eine rein chinesische Dekoration
(Taf. XI, b und Abb. 426) erhielten.
Und wenn wir figürliche Darzstellun-
gen, z. B. einen Teller von Rhagas ?), aus
dem 12. Jahrhundert. zum ‚Vergleich
heranziehen, so finden wir in der Ein-
teilung der Malerei, in der ornamentalen
Ringborde- auf der Vertiefung, die das
Mittelbild der Fläche vom Rand mit
seinem rein ornamental wirkenden
Menschendekor trennt, ebenfalls die
spätere chinesische Art. Auf einem
Teller (Abb. 413) kommt auf dem breiten
Rande ein Muster vor, das persischen
Stoffen gleicht. Natürlich sind in China
dieMotive auch national umgestaltet, so
werden (Abb. 414) am Rande die ost-
asiatischen Glückssymbole gern ange-
b bracht, der Teilungskreis bei flachen
Abb.410Kummen, blauweiß Porzellan,mitRanken (a) Tellern zur dünnen Linie zusammen-
und Symbolen in Feldern (b), mit deutscher silber- i : 144145
vergoldeter Montierung, im Nationalmuseum, gezogen ‚und das Bild der Mittelfläche
„ „München, 16. Jahrhundert nach chinesischen Malereien ausgeführt,
(Aus: Münsterberg, Bayern und Asien im 16., 17. & : :
und 18. Jahrhundert); aber die Idee der Dekoration ıst genau
Ä die gleiche wie im Westen. Niemals
vorher war eine solche Einteilung und Verzierung in China geübt worden, vielmehr
bestanden die Verzierungen ausschließlich in den traditionellen antiken Ornamenten.
Das Spiralenmuster (Abb. 410, a), das in kleinlichem Grundmuster die Fläche
wie mit Würmern bedeckt, kam mit der Zellenschmelztechnik ebenfalls aus dem
Westen nach China. Auch die Malereien in dicken Emaillefarben auf persischen
Glasflaschen und -schalen scheinen einen Einfluß ausgeübt zu haben. °)
1) Mohammedanische Ausstellung, München, Nr. 1071, aus der Auktion 1909 der
Sammlung Lanna in Prag für einen enormen Preis an Rosenbaum in Frankfurt a. M.
übergegangen. Abbildung bei Sarre: Die Keramik auf der mohammedanischen Aus-
stellung in München 1910, Kunst und Kunsthandwerk, XIII, Heft 8 u. 9, S. 514.
2) Schale mit bunter Malerei auf weißem Grunde, Ausstellung München, Nr. 1132
im Besitz Peytel, Paris. — Abbildung bei Sarre, wie vorstehend, S. 515. — Sarre,
Persisch-islamische Kunst, Kunst und Künstler, 1904, Abb. S. 11, ähnlicher Krug.
: 3) Nachdem das vorliegende Kapitel im Satz fertiggestellt war, erhielt ich den
sehr interessanten Bericht von Zimmermann über „Die Porzellanschätze in Konstantinopel“.