Full text: Die Baukunst. Das Kunstgewerbe: Bronze, Töpferei, Steinarbeiten, Buch- und Kunstdruck, Stoffe, Lack- und Holzarbeiten, Glas, Glasschmelzen, Horn, Schildpatt, Bernstein und Elfenbein (Band 2)

Allgemeines 
Die Bedeutung der Baukunst für alle übrigen Künste ist in Europa und in 
Asien ganz verschieden. 
Der Steinbau im christlichen Abendlande wird frühzeitig zum bedeutungs- 
vollsten Ausdruck der Kunst entwickelt, und die Bildhauerei und Malerei sind 
ursprünglich nur schmückende Teile der Architektur. So war es auch im alten 
Ägypten und in Kleinasien gewesen. Diese gegenseitige Abhängigkeit der ver- 
schiedenen Kunstbetätigungen bewirkte in Europa eine gleichmäßige Stilentwicklung 
auf allen Gebieten. Die sich abwechselnden Stilarten übten auf das Bauwerk 
wie auf das schmückende Kunstgewerbe den gleichen Einfluß aus. Daher gehören 
Baukunst, Malerei und Bildhauerei in der frühen abendländischen Kunst zusammen. 
In den gewaltigen Domen und Palästen klingen alle drei Künste zum gemeinsamen 
Akkorde zusammen. 
Anders im Osten! Dort fehlten die Rassenkämpfe, Religionskriege, Völker- 
wanderungen und Kulturberührungen, die im Völkerkessel Europas immer neuen 
Wechsel der Kunstsprachen veranlaßten. China war durch eine Reihe gering 
kultivierter Zwischenvölker von der westlichen Welt getrennt. Es fehlten die 
breiten Reibungsflächen an anderen gleich hoch oder höherstehenden Kulturen, 
die zum Fortschritt genötigt hätten. Wenn aber kraftvolle Stämme wie die 
Mongolen und Mandschus das Reich eroberten, so brachten sie keine neue eigene 
Kunst, sondern nahmen ihrerseits die chinesische Kultur an. Die Folge war, 
daß die einmal entstandene Form als heilige Tradition durch Jahrhunderte weiter- 
gepflegt und trotz unzähliger Variationen immer in demselben Grundstile wieder- 
holt wurde. 
Die älteste Form des Hausbaues war die einfache Halle (Abb. 1), wahrscheinlich 
ohne alle Verbindung mit Werken der Malerei und Skulptur. Als dann fremdländische 
Kultbilder eingeführt wurden, finden wir sie als selbständige Werke eigener Be- 
deutung in die schützende Halle gestellt, ohne daß irgend eine künstlerische Ver- 
bindung mit dem Bauwerke angestrebt wurde. Die Malerei, ebenfalls in völlig 
eigenem Stile unter fremdem Einfluß aufgenommen, wurde sowohl für die selb- 
ständige Bildrolle als auch zum Schmuck der Wände verwendet, aber es sind 
dann nur vergrößerte Einzelbilder, ohne irgendwie von der Architektur beeinflußt 
zu werden. Die Halle ist auch in diesem Falle nur ein Schutzdach für die auf 
der Wandfläche angebrachte Malerei. 
Dieser Entstehung entsprechend geht die Weiterentwicklun g der 
einzelnen Künste völlig selbständig nebeneinander her. Während die Malerei 
unter dem Einfluß der Philosophie und Poesie die idealste Ausdrucksform der Volks- 
seele erreichte, blieben die Bauten im wesentlichen nur Schutzstätten, die hand- 
werksmäßig mit den alten Elementen in geübter Routine errichtet wurden. Aus einer 
Zeit von 2000 Jahren wird uns kein Name eines Baumeisters übermittelt, der neue 
große Ideen in der Baukunst zur Ausführung brachte. Sicher wäre ein solches 
Genie entstanden, wenn die Bedürfnisse für einen Wandel vorhanden gewesen 
wären. Aber es herrschte stets die Tradition. 
 
	        
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