4 Die Baukunst
Wie der Kaiser seine Opfer in Zeremonien wie vor J ahrtausenden darbringt,
seine politische Macht auf den alten Anschauungen begründet ist und sein Hofleben
uralten Sitten entspricht, so ist auch sein Palast in Grundriß und Anlage un-
verändert geblieben. Bei den Tempeln war die Beibehaltung der alten Kultbilder
und Scehutzstätten ebenfalls selbstverständlich und noch mehr bei dem Totenkultus.
Jede Entwicklung der Baukunst beschränkt sich im wesentlichen auf die
Abwechslungen in der Einzelausführung. In der älteren Zeit herrscht eine mehr groß-
zügige ernste Linienführung im Hochbau. vor, die mit der Wucht der geschlossenen
Silhouette wirkt. Seit der Mingzeit beginnt eine Detailausarbeitung des Ornaments
_ vorzuherrschen, bei deren zierlichen Ausführung der geschlossene Zusammenhang
des Ganzen häufig verloren geht. In den letzten Jahrhunderten findet nur noch
ein handwerksmäßiges Zusammenfügen von Einzelteilen statt, die dabei oft
minderwertig und gedankenlos ausgearbeitet sind.
Die von der Malerei und Skulptur so völlig abweichende Entwicklung der
Baukunst, die niemals der Träger der sittlichen Ideale der ostasiatischen Welt
geworden ist, habe ich daher diesem zweiten Bande über Kunstgewerbe angefügt.
Die Baukunst in China ist stets ein Handwerk geblieben, das mehr oder minder
geschickt geübt wurde, aber niemals sich zu einer wirklichen Kunst erhoben hat.