Porzellane — Emaillefarben — 15. Jahrhundert 287
Tode den Katalog von Hsiang aus dem 16. Jahrhundert herausgab.!) Diesem
literarischen Denkmale verdanken wir einzig und allein die Kenntnis jener Meister-
werke des 15. Jahrhunderts, die vielleicht die schönste Blüte chinesischer Keramik
darstellen. Schon bei Abfassung des Kataloges wurden einzelne Stücke als sehr
kostbare Seltenheiten bezeichnet. Dabei muß man sich klar machen, daß die
Niederschrift zu einer Zeit erfolgte, als gerade chinesische Porzellane den Weltmarkt
eroberten und in nie vorher geahnten Quantitäten hergestellt wurden. Die Porzellan-
fabrikation war damals aus einer begrenzten Kunstarbeit für den Hof und die Vor-
nehmen ein Massenartikel für Volk und Export geworden. Viele tausend Töpfer
waren eingearbeitet und schufen in guter Technik die Stile der Mode, die bei
starker Wirkung schnell und leicht herzustellen waren.
Im Grunde genommen sehen wir die gleichen Verhältnisse, die später die ke-
ramischen Nachahmungen in Europa erlebten. Das Meißener Porzellan des 18, Jahr-
hunderts wurde von namhaften Künstlern in wenigen Stücken, ohne Rücksicht auf
Zeit und Geld, hergestellt und dann durch die Massenfabrikation der modernen Zeit
völlig verdrängt. Die Delfter Fayencen sind im 17. und 18. Jahrhundert mit reichen
Figuren und Landschaften in glänzenden Farben sauber ausgemalt, während in der
späteren Zeit vorwiegend auswendig gelernte Ornamente handwerksmäßig auf-
getragen wurden. Ein neuer Stil findet seine Liebhaber nur in einem kleinen,
ästhetisch fühlenden Kreise und muß daher in bester Qualität ausgeführt sein. So-
bald aber einmal eine Mode entstanden ist, verlangt die Menge danach, und ohne
Rücksicht auf die ästhetischen Vorzüge begnügt sie sich mit der äußerlichen Wirkung.
In den Abbildungen (Taf. IX und X) von Hsiang haben wir jene Stücke vor
uns, von denen Mendoza sagte (8.274): daß sie so schön seien wie Kristall, und daß
sie niemals ihre Heimat verlassen, da sie nur für des Kaisers und der Vornehmen
Gebrauch verwendet werden. Der Vergleich mit Kristall läßt auf jene herrliche,
„wasser“schimmernde Glasur schließen, die wir schon bei den blauweißen Tellern
dieser Zeit bewundert haben (8. 277, Abb. 413, 414).
Unter Hsüante (1426—1438) bleiben die Formen der Gefäße noch im antiken
Bronzestil befangen (Taf. X), aber die Flächen sind durch leuchtendes Rot im
monochromen Glasfluß und durch Blau und Rot unter der Glasur, Grün und Braun
über der Glasur mit neuem Geiste belebt. Die Verzierung ist entweder als deckende
Überlaufglasur (d, g) oder in besonders eleganten sparsamen Verzierungen als Fische (a),
als Früchte (f) oder als Borde im antiken Mäanderstil (c) diskret aufgetragen. Der
Tropfenzähler (b) in realistischer Form eines Pflaumenzweiges ist zwar nach einer
Bronze geformt, aber nach dem Gemälde eines berühmten Malers ist die Farbe
hinzugetan. Dieser jetzt aufkommende malerische Einfluß bedeutet das Neue in der
Keramik des 15. Jahrhunderts. Die leuchtende rote Frucht?) wird durch grüne Blätter
und braunen Stengel nur stärker betont.
Auf einem besonders schönen Weinbecher (e) ist der mit gravierten Mustern
verzierte Scherben weiß überflossen, hat am Rande eine Borde in Blau unter der
Glasur, und an der einen Seite hält sich ein roter Drachen mit Zähnen und
Klauen fest. Hsiang sagt zu der Abbildung, daß nur zwei oder drei Stück dieser Art
damals in China, also im 16. Jahrhundert, existierten und mit 100 Taels nicht teuer
bezahlt wären. An einem Pagodenmodell (Abb. 424, e) sind die Wände weiß, die
Dächer dunkelgrün, die durchbrochenen Geländer rot, die Türen sowie die Spitze
gelb gemalt, und an den Ecken hängen goldene Glöckchen von 1!/, cm Größe. Hier
lernen wir gleichzeitig die farbige Wirkung der Originalbauten kennen, denn —
1) Bushell, Chinese Porcelain, XVI. Century coloured illustrations with Chinese
Ms. Text by Hsiang Yuan P’ien. Oxford, Clarendon Preß, 1908. — 83 farbige Tafeln.
2) Ein anderer ähnlicher Tropfenzähler bei Bushell, Chinese Porcelain, XVI. Century,
Taf. 43.