Full text: Die Baukunst. Das Kunstgewerbe: Bronze, Töpferei, Steinarbeiten, Buch- und Kunstdruck, Stoffe, Lack- und Holzarbeiten, Glas, Glasschmelzen, Horn, Schildpatt, Bernstein und Elfenbein (Band 2)

  
  
  
  
Porzellan — Einfarbige Glasuren — Technik 297 
Farbige Glasuren 
Technik 
Bei der Nachahmung alter Sungstücke schufen Hand und Auge des 
Kunsthandwerkers unbewußt gewisse Abweichungen in Formen und Farbe, die 
uns heute als charakteristisch für die Zeit des 17. Jahrhunderts erscheinen. Die 
Konturlinie der großen Vasen (Taf. XIII) ist nicht mehr so ernst in sich geschlossen 
wie es die Sungformen waren. Es ist schwer, mit Worten die Stile der Linien- 
führung zu schildern, wer jedoch unter Beachtung dieses sehr wichtigen Merkmales 
viele Arbeiten sorgfältig vergleicht, wird sein Auge schulen und Unterschiede leicht 
wahrnehmen, die wir bei der Pinselführung der Maler längst als Erkennungszeichen 
der Meisterhand schätzen. 
Das Auge des Künstlers unter der Thsindynastie hatte mehr Freude am Klein- 
lichen und Zusammengesetzten. Wie der Rand am Hals (Taf. XIII, a) oder der 
Fuß (c) angesetzt ist, kann bereits für die Zeitbestimmung entscheidend sein. Bei 
den antiken plumpen Steinzeugkrügen der Chouzeit (Abb. 365) ist das Bewußtsein 
der Zweckmäßigkeit noch so stark wirkend, daß Hals und Fuß sich der Gesamtform 
völlig einordnen und nicht als besondere Teile sich vordrängen. Die eleganteren 
Formen des Sungstils (Abb. 398—401) betonen schon stärker den Randansatz, aber 
nur so weit, als die Einheit der Silhouette es zuläßt. Der Halsrand bildet gleich- 
sam einen Abschlußschnörkel der bauchigen Gefäßlinie. Wie wenig vornehm und 
unharmonisch wirken dagegen die Kanghivasen, deren dieker Randwulst wie 
eine fremdartige Auflage auf die gewaltsam aufgerissene Öffnung des Gefäßes 
erscheint. Ein feinfühliger Maler, der ohne Rücksicht auf Zweck und Technik 
den Schwung der Außenlinie des Gefäßes ausführt, wird sicher nicht zu einer 
derartig brutalen Lösung kommen. 
Wie bei den Bronzegefäßen können wir auch bei den Töpfereien den Stilwandel 
an ein und derselben Form durch Jahrhunderte verfolgen. Der Handwerker glaubte 
den Geist der alten Zeit jeweilig genau zu kopieren, aber er blieb an der geistlosen 
Nachformung der Einzelheiten kleben, und ohne daß er sich dessen bewußt wurde, 
schuf er dennoch eine Umformung in die Sprache seiner Zeit. Allerdings können 
wir den chinesischen und japanischen Schriftstellern glauben, wenn sie bei einzelnen 
Töpfereien die genaue Kopie des Originals anerkennen. In Japan wissen wir sogar, 
daß der Kaiser Ehrentitel verliehen hat, wenn die Nachahmung so vortrefilich 
gelang, daß eine Verwechslung mit dem Original stattfinden konnte. Aber gerade 
aus der Betonung dieser vereinzelten Tatsache können wir entnehmen, wie schwierig 
die scheinbar so einfache Nachbildung in Wirklichkeit war. 
Der ganz getreue Kopist mußte selbst ein keramischer Künstler, allerdings 
ohne eigene Phantasie, sein und wurde auch als solcher in Ostasien verehrt. 
Umgekehrt können wir hieraus schließen, daß die in der Literatur angegebenen 
massenweisen Nachahmungen nur Äußerlichkeiten, nicht den Geist und die 
Vollendung der Blütezeit erreicht haben. Während die Gesamtwirkung in der 
Mandschuzeit nicht mehr so einheitlich war, wurde die Technik, besonders gegen- 
über den Arbeiten des 16. Jahrhunderts, oft besser und meist raffinierter. 
Mit Virtuosität wurden die alten Ausdrucksmittel zu immer neuen und ge- 
steigerten, aber meist kleinlichen Effekten verarbeitet. Oft sind es nur originelle 
und neuartige, aber nicht künstlerisch wertvolle Wirkungen. Jedes Gefäß mit ent- 
mischten Glasuren (Taf. XIII, a, c) ist, wie wir gleich sehen werden, einzig in seiner 
Art und dadurch besonders geschätzt, aber ein Dutzend gleicher Stücke dürfte 
wenig ästhetische Befriedigung gewähren. Es ist stilistisch doch nur eine spielerische 
Abart, keine Lösung eines hohen keramischen Problems. 
  
  
  
  
  
  
 
	        
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