Farbige Glasur — Technik 299
in den ausgravierten Mustern des Seladons eingeflossene Glasur durch ihre Dicke
dunkler wirkt, haben wir schon kennen gelernt. Umgekehrt entstehen durch dünnere
Glasurschichten hellere Töne (d, e) oder die natürliche Farbe des Scherbens kann sogar
durchscheinen (e). Dünnere Glasurschichten oxydieren schneller und können daher
2. B. zuerst grün werden, während dickere, zusammengeflossene Glasurstellen eher
rot bleiben (g, e).
Weitere überraschende Wirkungen werden durch eine Art Entmischun g
der Glasuren während des Brandes erzielt. Die einzelnen Bestandteile des Glas-
flusses haben verschiedene Schmelzungsgrade. Die weichen Teile schmelzen zuerst und
sinken in der noch sonst halbflüssigen Masse nach unten. Schwerer schmelzbare Teile
bleiben dagegen an der Oberfläche und schmelzen erst hinterher. Dadurch entstehen
jene geflammten (flamb£, transmutation) flocken-, tropfen- und fadenartigen Muster,
die uns besonders kunstvoll erscheinen (Taf. XIV, h—k). Die Zusammensetzung
der Glasuren spielt hierbei eine ebenso wesentliche Rolle wie die Feuerführung.
Auf diese Weise sind jene
oben (8. 252) erwähnten, im
Japanischen ‚Schönfellglasur
oder Öltropfenglasur‘“ genann-
ten Teebecher entstanden, die
in China seit dem 15. Jahr-
hundert nicht mehr hergestellt
werden.
Ob die Oberfläche der
Glasur glänzend oder matt er-
scheint, hängt vom Brande ab,
z. B. ob mehr oder weniger
Wasserdämpfe in bestimmten
Stadien des Brandes zugeführt
SI SIZISANIS2S
werden.
Man kann auch ein Stück,
das nicht gefällt, ohne weiteres
STRT )
N" :
Abb. 427 Große Kumme auf Holzfuß, Porzellan mit über-
fließender roter (sang de boeuf-) Glasur mit ausgesparten Me-
daillons, die drei Weisen darstellend, Kanghi, 1662—1723
5 (Aus: Favier, Peking)
noch einmal brennen. Ebenso
kann man das gebrannte Stück
ganz oder teilweise in eine neue Glasurmasse tauchen und so eine neue Glasur
über die erste brennen, die sogenannte Überfangelasur, wodurch wiederum eine
Reihe neuer Effekte erzielt wird, besonders wenn die Glasuren verschiedenfarbig sind
und nicht alle Flächen gleichmäßig bedeckt werden. C
So ist eine weißglasierte Schale (Abb. 427) mit dem Rande in eine Kupfer-
oxydglasur getaucht, die im Ofen während des langsamen Herabfließens in dicken
Tropfen zu roter Farbe erstarrte. Auf der ausgesparten weißen Fläche wurde später
ein historisches Bild in Emaillefarbe gemalt und bei kleinem Feuer im neuen Brande
aufgeschmolzen. Dieses Stück dürfte zu den größten Seltenheiten der chinesischen
Produktion gehören; nur die Abbildung, kein Original dieser Technik ist erhalten.
Die Wirkung der dickaufsitzenden roten Tropfen, die wie ein herabhängender Stoff
das Bild umrahmen, muß sehr schön gewesen sein.
Erst durch das Verstehen des technischen Vorganges können wir erkennen,
wie schwierig, ja geradezu unmöglich es ist, Glasuren von bestimmten Farbennüancen
herzustellen. Der Verfertiger einer geglückten Wirkung konnte sich selbst nicht
absolut genau imitieren, da seine Erfolge nicht auf einer mit Bewußtsein erfolgten
Verbindung von Farbstoffen wie bei den Emaillefarben basierten, sondern auf dem
Zufall der Feuerwirkung. Er verwendete als Resultat einer jahrhundertealten Er-
fahrung eine gewisse Mischung zufällig gefundener Rohmaterialien, deren einzelne