dieses Motives läßt darauf schließen, daß
es in Europa besonders beliebt war.
Sonst finden wir alle bisher kennen
gelernten Verzierungsarten vertreten. Bron-
zeformen auch mit Relief (Abb. 435)
wurden nachgeahmt und Stoffmuster groß-
zügig der Fläche angepaßt (Abb. 436). Da-
neben erscheint eine neue Dekoration in der
Füllung der ganzen Fläche mit historischen
Szenen oder Sittenbildern. Die Mingkünstler
hatten schon den gleichen Vorwurf behan-
delt, aber es waren nur Ausschnitte der Bilder
gegeben, die der neuen Verwendungirgendwie
angepaßt wurden (Taf.VII u. Abb. 405—407,
Taf. XII u. Abb. 418). Jetzt malt der Hand-
werker mit spitzem Pinsel in virtuoser Rou-
tine das Bild rings um die Vase, ohne irgend-
eine Rücksicht auf den Zweck zu nehmen
(Abb. 437). Die schräge Architektur durch-
schneidet quer die Form, und das gemalte
Wasser im Vordergrunde hebt jedes Gefühl der
Stabilität und Ruhe auf. Diesem Geschmack
Porzellan — Blaue Gruppe
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(FE II 98,
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FERN
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Abb.435 Kleines Räuchergefäß auf Holzfuß,
in Form alter Bronze, blauweiß, Porzellan,
Kanghi, 1662—1723 — (Aus: Favier, Peking)
entspricht auch die geistlose Füllung des Deckels mit einem ganz unmotivierten Blumen-
zweige. Dabei ist die technische Ausführung durchaus mustergültig; nur der künst-
Abb. 436 Zylindrisches Gefäß mit
Deckel, blauweiß, Porzellan, etwa
20 em hoch, Marke Blatt, Samm-
lung Pierpont Morgan, New-York,
Kanghi, 1662—1723
(Originalaufnahme)
lerische Geschmack für die Gesamtkomposition fehlt.
In China ist die Pflaumenblüte das Symbol des
Winters. . Die kahlen Zweige mit ihren gerundeten
Blüten, häufig in Verbindung mit den geraden Linien
einer zerborstenen Eisfläche, werden gerne abgemalt.
In der Porzellantechnik ist ein spezieller Typus aus
diesem Motive entstanden. Zweige und Blüten, in
graziösen Linien über die ganze Fläche gestreut,
sind in Weiß auf einem blauen Grunde (Taf. XV)
ausgespart. Der Fond ist glatt oder marmoriert
oder mit Sprüngen bemalt, die das geplatzte Eis
nachbilden sollen. Die schönsten Stücke sind nicht
mit Kobaltblau, sondern mehr lapislazuliartig. oder
violettblau gefärbt. Die besten Arbeiten haben
einen Glanz, als wären sie gerade aus dem Wasser
gehoben, so daß man kaum wagt, sie anzufassen,
um sich nicht naß zu machen. Die durchsichtige
Glasur hat eine leuchtende Kraft erhalten. Ihr
Glanz mit dem dunklen blauen Grunde stellt eine
technische Vollkommenheit dar. Vasen dieser besten
Qualität werden unter den Kanghiporzellanen von
Sammlern heute am höchsten geschätzt.!)
!) Beim Verkauf des schönsten bisher bekannt
gewordenen Stückes dieser Art aus der Huth-Sammlung
wurden 6195 Pfund Sterling oder 123900 Mark bezahlt. —
Im Handelsmarkt werden diese Vasen „Hawthorn“ —
Hagedorn -Vasen genannt, obgleich Pflaumenblüten dar-
gestellt sind, s. S. 318 Anm,
Münsterberg, Chinesische Kunstgeschichte II 20