Full text: Die Baukunst. Das Kunstgewerbe: Bronze, Töpferei, Steinarbeiten, Buch- und Kunstdruck, Stoffe, Lack- und Holzarbeiten, Glas, Glasschmelzen, Horn, Schildpatt, Bernstein und Elfenbein (Band 2)

  
8 Einzelformen der Baukunst 
Die Säulenhallen (Ting) -— Etagenbau (tai oder hou) — Ziegeldach — 
Farbensymbolik 
Die wenig dauerhaften Holzbauten konnten den vielen Revolutionen und 
Kriegen nicht standhalten. Was den plündernden Horden entging, das hat die Zeit, 
oft Feuer und Wasser, vernichtet. So dürften in China nur vereinzelte Hochbauten aus 
der Zeit vor dem 12. Jahrhundert existieren, und auch diese werden vorwiegend er- 
gänzt sein. Die heute vorhandene Architektur ist im wesentlichen die aus der Zeit 
der regierenden Dynastie (seit 1644) und nur bei sehr wenigen Bauten ist die Er- 
haltung im alten Zustande aus der Mingzeit beglaubigt. Zwar haben viele Tempel 
historisch nachweisbar in früherer Zeit bestanden, aber Feuer und Schwert haben 
Neubauten notwendig gemacht oder der Zahn der Zeit weitgehende Reparaturen, 
so daß wohl der alte Stil, aber nicht die alte Einzelausführung sicher nachgewiesen 
werden kann. 
In China sind aus vorbuddhistischer Zeit auf den Steinreliefs aus 
dem 1. Jahrhundert n. Chr. (Bd. I, Abb. 25), sowie von 147 n. Chr. vom Grabe der 
Familie Wu eine Reihe ein- und zweistöckiger Hallenbauten abgebildet (Abb. 1), 
die in den wesentlichen Momenten des Baues, nämlich in den Holzsäulen mit 
Stützbalken für das ausladende Dach, bereits den noch heute 
geltenden Stil zeigen. Wir können daher annehmen, daß diese Grundelemente 
der chinesischen Architektur aus viel älterer Zeit stammen und vielleicht ebenso 
wie der steinerne Unterbau noch der Zeit des mykenischen Kulturkreises angehören 
(vgl. Bd. I, 8. 25). 
Bis zum heutigen Tage basiert der Bau der Tempel und Paläste auf diesen pri- 
mitiven Elementen der tragenden runden Säule und dem schützenden, weit vor- 
ragenden Dache, dessen Ausgestaltung in Form, Farbe und Anordnung wichtigere 
Unterschiede ausmacht als der Grundriß in seiner eckigen Gestalt oder die glatt 
verputzten Zwischenwände. Was Baltzer !) über die japanische Architektur sagt, 
gilt ebenfalls für die chinesische. ‚Die Ausbildung der Säulen und Pfeiler oder die 
Anordnung und Gliederung der Gewölbe, die für die Kunst anderer Länder so wich- 
tige Unterscheidungsmerkmale liefern, läßt die Formensprache für die Unterschei- 
dung der verschiedenen Bauweisen völlig im Stich, da die Zierformen der Stützen 
auffallend wenig ausgebildet sind und Gewölbe überhaupt nicht vorkommen. Da- 
gegen verdient der Reichtum und die Mannisfaltigkeit in der Dach- und Giebel- 
ausbildung besondere Beachtung.“ 
Die älteste Darstellung von Hallen aus vorchristlicher Zeit (Bd. I, Abb. 25) 
zeigt die glatte Säule auf die Erde gestellt und eine kapitellartige Übereinander- 
lagerung von hölzernen Querstützen. Das etwa hundert Jahre später ausgeführte 
Relief zeigt ebenfalls eine glatte Säule, aber auf einem oben abgerundeten, wahr- 
scheinlich steinernen Sockel, und das Kapitell hat ein weitausladendes Kraggebälk 
(Abb. 1), das sichtlich durchbrochen gearbeitet ist. Nach chinesischen Schriften 
galt als Regel, daß die Säule sieben- bis zehnmal so hoch sei als der Durchmesser 
und die Base nicht höher als der Durchmesser. 
Das weit vortretende und an den Seiten gleichmäßig herumgeführte ausladende 
Dach ist gerade, und wie das Schuppenmuster (Abb. I) auf den Steinreliefs er- 
kennen läßt, mit Schindeln gedeckt. Auf einem Hausmodell von Ton aus 
einem Hangrabe (Bd. I, Abb. 69) finden wir das glatte Schindeldach mit schrägen 
Querbalken belegt, die vielleicht ähnlich wie bei den Dächern in Tirol, das Abdecken 
bei Sturm verhindern sollen. . Gleichzeitig kommt ein schweres Ziegeldach 
1) Baltzer, Das japanische Haus, Berlin 1907. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.