Full text: Die Baukunst. Das Kunstgewerbe: Bronze, Töpferei, Steinarbeiten, Buch- und Kunstdruck, Stoffe, Lack- und Holzarbeiten, Glas, Glasschmelzen, Horn, Schildpatt, Bernstein und Elfenbein (Band 2)

  
10 Einzelformen der Baukunst 
Samarkand transportiert wurden, ist durch Berichte bewiesen. China war lange 
Jahrhunderte der Lieferant gewisser Arten von glasierten Tonwaren für weite 
Bezirke der asiatischen Welt. Eine Spezialität, die Seladon-Ware, fand sogar 
ihren Weg bis Europa. 
Die wulstartigen Dachpfannen lagern sich übereinandergreifend aneinander, 
und die unterste Reihe ist mit einer runden Fläche an der wulstförmigen Ver- 
dickung abgeschlossen (Bd. I, Abb. 72—75). Diese von unten sichtbaren Abschluß- 
kreise sind ner in der allen Zeit mit eingepreßten Inschriften und Figuren 
versehen, nach denen wir die ungefähre Zeit ihrer Herstellung bestimmen Können 
Zahlreiche Stücke, seit altersher wegen der alten Schriftzüge in China gesammelt, 
stammen aus der Hanzeit, einige sollen schon unter Shihuangti (221—209 v. Chr.) 
hergestellt sein. Ältere Stücke sind nicht bekannt geworden und werden auch 
nirgends in der Literatur erwähnt (s. Kapitel über Töpferei). 
Wir können annehmen, daß das alte Schindeldach aus Holz oder Schilf 
zur Zeit der großen Reformen (Bd. I, 8.89) zum kunstvoll durchgeführten Ton- 
ziegeldach ausgestaltet wurde. Unschwer erkennen wir in Form und Technik 
das Vorbild des hellenistischen Daches. Aber wie in der Malerei und Plastik, so 
sind. auch hier nur die Idee, die Technik und gewisse äußere Formen, z. B. der 
Akanthus-Abschluß (Bd.I, Abb. 70, 71), gewandert, während die künstlerische Aus- 
gestaltung im architektonischen Zusammenhange echt chinesisch ist. 
In der klassischen Kunst ist das Dach nur ein einfach ausgeführter Zweck- 
mäßigkeitsbau, der sich der Fassade völlig unterordnet, aber in China wird es zum 
maßgebenden Teil des Hausbaues gestaltet. Die Form des Ziegels bleibt stets un- 
verändert, jedoch die wundervoll leuchtenden Glasuren, die massige Ausgestaltung 
der Dachform, die später aufkommende leichte Buchtung der Fläche zur Steigerung 
der farbigen Lichtreflexe, die übereinander gebauten Etagendächer, unterbrochen 
von den weiß oder farbig getünchten Mauern oder Holzverkleidungen, und schließlich 
die Lage der iz den Tempeldächer zwischen den ernsten dunklen Bäumen 
des Waldes oder auf kahlen grauen Felsen charakterisieren die chinesische Bauart. 
Die leuchtend gelben Dachziegel der weitläufigen, aus der Ferne sichtbaren 
Paläste in Japan waren die V ran aung zu jener Erzählung von dem Goldlande 
Zipangu, die Marco Polo ') nach Europa ee „Die Gebäude sollen mit reinem 
Golde, geradeso wie im Abendlande die Kirchen mit Bleidächern, gedeckt sein, so 
daß es kaum möglich ist, ihren Wert zu schätzen.“ ‚Mehr noch, alle Wege im 
Palast und die Fußböden der Zimmer bestanden völlig aus Gold in gut zwei 
Finger dieken Platten, wie Steinpflaster.“ Diese fabelhaften Berichte, die nichts 
weiter waren als phantastische Schilderungen von dem, was die chinesischen 
Schiffer aus der Ferne gesehen und Marco Polo berichtet hatten, gaben für 
Jahrhunderte in Europa den Impuls, das ferne Goldland zu suchen. Und wenn 
auch niemals das goldreiche Märchenland gefunden wurde, so wurden doch die 
fernen Welten entdeckt und ein Austausch materieller und kultureller Güter be- 
gann, der größere Werte brachte, als das Auffinden einer Goldinsel gebracht haben 
Könnte, Diese in der Sonne goldig leuchtenden, in W irklichkeit: gelbglasierten 
Ziegel waren nicht einmal in Japan selbst hergestellt, sondern andere, chinesische 
Schiffer, hatten sie erst aus ihrer Heimat dorthin gebracht. 
Auf den älteren Steinreliefs (Abb. 1) lernen wir, wenn auch nur andeutungs- 
weise, einige Einzelheiten des Baues kennen. So sehen wir die niedrige durch- 
brochene Brüsinne galerie, die später eine vielfache Ausgestaltung in zier- 
l) Yule, Ser Marco Polo, zweite Auflage, Bd. II, S. 253. — Nach dem Berliner 
Manuskript: Zipangu, nach Baseler: Zipangri, nach lateinischem: Cyampagu — alles 
europäische Korruptionen des chinesischen: Jipun oder Jipuan. 
 
	        
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