Dachziegel — Etagenbau 1l
lichen Mustern erhalten hat, und die steile Holztreppe, die besonders in Japan
noch in moderner Zeit üblich ist. Ferner finden wir den Etagenbau, den
tai oder hou, durch einfaches Übereinandersetzen der Hallen erreicht. In jeder
Etage bleibt das herausragende Dach zum Schutz gegen Regen als Pultdach bei-
behalten.
Zwar sind nur zweistöckige Häuser auf den Reliefs dargestellt, aber sicher
sind auch höhere Bauten ausgeführt. Die Schilderung der übereinandergesetzten,
immer kleiner werdenden Hallen, so daß die Form einer Pyramide entsteht, haben
wir in der Hanzeit kennen gelernt (Bd.I, 8. 74). Aus dem 2. Jahrhundert v. Chr.
ist uns eine Ode erhalten, die von einem besonders hohen Etagenbau spricht: „Wenn
ich meine Blicke erhebe zu dem Hou von Stein, dann muß ich seine Spitze in den
Wolken suchen.“ Vielleicht sind schon damals die ersten Turm- oder Pagoden-
bauten entstanden.
Aus Chinas Blüteperiode unter der Tangdynastie hat sich kein Bau,
nicht einmal eine Ruine, erhalten, .die uns ein lebendiges Bild dieser an Pracht
und Luxus ungewöhnlichen Glanzzeit geben könnte. Die Schriftsteller erzählen von
dem machtvollen Kaiserhaus, an dessen üppigem Hofe Abgesandte aller Welten
sich trafen und Kunst und Wissenschaft eine besondere Pflege genossen. Die
größten Maler lebten damals, aber kein Bild ist vorhanden, nur ihr Ruhm lebt
fort, und ebenso ist es mit den Werken der Architektur. Dagegen will es ein
glücklicher Zufall, daß gerade aus dieser Zeit in Japan, dessen Kunst damals noch
auf die Tempelbauten unter chinesischem Einfluß begrenzt war, herrliche Schätze
erhalten sind, die uns wenigstens die Holzarchitektur des Kultstiles zeigen.
Mit den Malern und Bronzegießern zugleich kamen auch Architekten aus Korea
und China in das machtvoll aufstrebende Inselreich, und die buddhistischen Bauten
aus der Zeit der Kaiserin Suiko (552—645) sind als Typen des gleichzeitigen
chinesischen Stiles anzusehen. Was bisher nur vermutet werden konnte, ist durch
neue Publikationen?) bewiesen. Die von Chavannes photographierten chinesischen
Steinreliefs bei Honan (Abb. 2), deren Inschriften die Entstehung um 523—533
bekunden, zeigen ganz deutlich die Übereinstimmung mit den japanischen Archi-
tekturen. Und den gleichen Baustil finden wir auf einer späteren Kopie nach
einem Gemälde aus Wang Wei’s Heimat (Bd. I, Abb. 146) aus der Zeit um 730.
Auch auf der Ölmalerei am Tamamushi-Altar in Japan aus der Suikozeit (593—628)
ist ein einstöckiger Tempel (Bd.I, Abb. 118) abgemalt, der mit dem des älteren
Steinreliefs (Abb. 2b) fast genau übereinstimmt. Es kann daher keinem Zweifel
unterliegen, daß die buddhistischen Kultbauten in Japan genau dem gleichzeitigen
chinesischen Stile des 6. bis 8. Jahrhunderts entsprechen.
Die einzelnen Elemente kennen wir bereits: der viereckige Grundriß, die glatt
verputzten Fachwerkwände, der steinerne Unterbau mit Treppe, die runden Säulen
mit ausladendem Kapitell, das weit vorspringende, hier bereits vereinzelt leicht
gewölbte Dach mit Ziegelbelag und die offenen Hallen mit niedriger, durchbrochener
Brüstung. Reich sind die verschiedenen Dachformen. Das Pultdach am Seitengiebel
(Abb. 3) sowie der etagenförmige Bau (Abb. 4, 5) ist weiter entwickelt. An den
vortrefllich erhaltenen Tempeln, deren ständige Reparaturen im alten Stile aus-
geführt wurden, bekommen wir ein Bild von der edlen Harmonie der Proportionen
und der sauberen Tischlerarbeit der Ausführung. Auch finden wir eine geschickte
Variation der Grundmotive.
Die Dimensionen der Säulen mit ihrem sich oben verjüngenden Schaft, die
elegant ausladende Kapitellbildung, die zierliche Brüstung im Mäandermuster der
alten Bronzen, die Verhältnisse zwischen Unterbau und den einzelnen Etagen sind
1) Chavannes, Voyage arch&ologique dans la Chine septentrionale, Paris 1909.