Einzelformen der Baukunst
meisterlich ausgeführt. An dem Kraggebälk (Abb. 6)
finden wir auch das alte mykenische Motiv des Wol-
kenmusters (Bd. I, 8. 21) zum reinen Örnament-
schnörkel verarbeitet. Auffallend ist, daß die in China
bei allen späteren Bauten bevorzugte Dreiteilung oder
Fünfteilung der Wege und Tore hier noch nicht an-
gewendet ist.
Sowohl aufdem Steinrelief (Abb. 2) als auch in Japan
(Abb. 3) lernen wir eine eigenartige Ausgestaltung des
Daches kennen, indem ein vorspringender Walm an
den Schmalseiten herumgeführt und der glatten Giebel-
wand vorgelagert ist. Dachbauten mit dem vor-
springenden Absatz an der Giebelseite sind der alten
Baukunst des Abendlandes völlig fremd. Baltzer weist
darauf hin, daß dagegen auf den Sundainseln?) diese
Dachform vorkommt und durch die Bauweise in Schilf
und Stroh sich erklärt. Da diese Dachform auf den
chinesischen Steinreliefs des 2. Jahrhunderts sich nicht
findet, sondern erst auf den Felsbildern des 5. Jahr-
hunderts, so kann wohl ein südchinesischer Einfluß
stattgefunden haben. Vermutlich war dort bei den
Miautzevölkern ein Holzbau mit Schilfdach, wie er noch
heute in Celebes üblich ist, in Anwendung. Ebenso
wie die Batiktechnik heute nur noch bei den
Miautze und auf Java in Übung ist, dagegen in
Japan nur bis zum 8. Jahrhundert bekannt war,
so können auch einzelne Konstruktionen aus der
südchmesischen Bauart übernommen sein, die eine
reichere Ausgestaltung des traditionellen Ziegeldaches
bewirkten.
Der Grundriß der Bauten behält stets die
einfache, symmetrische, rechteckige Form. In jeder
Halle list nur ein ungeteilter Raum, entsprechend der
Schilf- oder Strohhütte des Bauern. Möbel existieren
nicht, sondern die Menschen hocken auf der Erde
(Abb. 1), wie es alte Bilder bis zur Tangzeit zeigen.
Diese Sitte ist wie so vieles andere in Japan bis zum
heutigen Tage bewahrt. Dagegen findet sich in China
schon auf alten Steinreliefs nach fremdem Vorbilde
(Bd. I, Abb. 86, 89) ein erhöhter Sitz, und auf den
Bildern der Sungzeit bereits der wohl unter tür-
kischem Einflusse eingeführte Stuhl (Bd. I, Taf. V,e).
!) Abbildung eines Geisterhauses von Central Üelebes
bei Sarasin. „Reisen in Celebes“. Wiesbaden 1905.
Abb. 2 Felsreliefs aus den Grotten zu Lungmen bei Honan. Inschriften
datiert: 523—533. &) oben: einstöckiger Tempel mit Ziegeldach auf
Holzsäulen mit Kapitell; Mitte: Satteldach mit kurzem Walm an der
Giebelseite; unten: dreigeschossiger Turm mit Ziegelpultdach und
Spitze; aus Grotte Lao Kiuntung. b) Einstöckiger Tempel mit Ziegel-
satteldach mit herumlaufender Ausladung, Hornaufsätzen an den Giebel
spitzen
(Aus: Chavannes, Voyage Archeplorigns dans la Chine septentrionale,
1909)
Text s. 8.11, 19