Full text: Die Baukunst. Das Kunstgewerbe: Bronze, Töpferei, Steinarbeiten, Buch- und Kunstdruck, Stoffe, Lack- und Holzarbeiten, Glas, Glasschmelzen, Horn, Schildpatt, Bernstein und Elfenbein (Band 2)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
340 i i Steinarbeiten 
kennen gelernt. Freistehende Figuren aus Stein, auch aus Marmor!) kommen vor, aber 
sie sind selten; das Material der Kultstatuen blieb im wesentlichen Bronze und Holz. 
Das für China am meisten charakteristische Steinmaterial sind die verschiedenen 
Arten von Jadeit und Nephrit, die unter dem Namen Jade?) (chinesich: Yü) 
in Europa zusammengefaßt werden. Das Wort Jade kommt in Europa vor der 
Entdeckung von Amerika nicht vor. Aus Zentral- und Südasien wurde ein dort 
sehr geschätzter grüner Stein mitgebracht, der von Monardes, einem Arzt in Sevilla, 
1565 in einem Werke zum ersten Male als „esmeraldgrün mit milchig weißen Wolken“ 
beschrieben wird; die dunkelste Sorte soll am meisten geschätzt worden sein. Im 
17. Jahrhundert wurden diese Steine als Mittel gegen Nierenkrankheit in Spanien 
und Frankreich sehr begehrt. Man nannte sie Piedro de los rinones oder Nieren- 
steine; aus der griechischen Übersetzung des Wortes Niere mit vep000 entstand die 
Bezeichnung Nephrit. Das spanische piedra de hijada übersetzten die Franzosen 
mit „pierre de l’ejade“ und angeblich durch den Druckfehler eines Setzers zu einer 
Zeit, als das Wort noch wenig bekannt war, entstand die Bezeichnung ‚‚Le Jade“. 
1529 berichtet der Franziskaner Bernardino de Sahagun,?) daß in Mexiko die 
Führer die grünen Steine an Schnüren um das Handgelenk als Abzeichen ihres Ranges 
trugen, und den niedrigeren Klassen ihr Tragen nicht erlaubt war. Den Leichen 
von höheren Würdenträgern?) wurden auf die Zunge grüne Steine gelest, damit 
die Seele die Prüfungen besser bestehe, bevor sie Quetzalcoat im Himmel erreicht. 
Die gleiche Sitte besteht in China,?) wo das Jade als Verkörperung des Yang, der 
lichten männlichen Kraft, gilt, um die Zersetzung des Leichnams zu verhindern. 
In Mexiko und Zentralamerika kommt nur Jadeit vor, dagegen in Asien auch 
Nephrit. Beide Arten sind in ihrem Aussehen so ähnlich, daß selbst einem Fach- 
mann ohne genaue Untersuchung ihre Unterscheidung schwer fällt. 
Die chemische Zusammensetzung ®) ist verschieden, und das Jadeit hat ein 
  
1) Sehr schöne Beispiele im Museum of fine arts in Boston. Abbildungen im 
Museum of fine arts Bulletin, Bd. VI, 1908, Nr. 35: Torso einer stehenden Figur ohne 
Kopf und Arme; Bd. IX, 1911, Nr. 49: Sitzender Buddha ohne Kopf aus Shansi ; Steinkopf. 
®) Siehe Blondel, Le Jade, Paris 1875. — Pal£ologue, L’Art Chinois, 1887, S. 154 
bis 177, Les pierres dures. — Deshayes, Le Jade, Conförence du 31. Janvier 1904, Musee 
Guimet..— Bushell, Chinese art, Bd.I, 8. 154—151, Carving in Jade and other hard 
Stones. — The Bishop Collection, Investigations and studies in Jade, New-York, Privately 
printed 1906. Zahlreiche farbige Tafeln in Originalgröße der Stücke nach der Sammlung 
von Herbert R. Bishop, jetzt im Metropolitanmuseum in New-York aufgestellt. In 
100 Exemplaren gedruckt und dann alle Druckplatten der farbigen Tafeln zerstört. 
Zwei Riesenbände von etwa 50 Kilo Gewicht. — Chavannes, Kritik über die Bishop 
Collection, T’oung-Pao, 1906, Bd. VII, S. 396—400. — The Metropolitan Museum of Art, 
The Herber R. Bishop collection of Jade and other hard stones, kurze Einleitung und Führer 
durch die mineralogische, archäologische und kunsthistorische Sammlung von 1000 Objekten. 
°) Historia de nueva Espaüa, Lib. XI, Cap. VIII. Nach Bishop. 
‘) Monarchia Indiana, 1618, Vol. II, 8.521. Bericht von Juan de Torquemada, 
spanischer Generalinquisitor. Nach Bishop. 
5) Grube, Pekinger Totenbräuche, Peking Oriental Society Journal, 1898, Vol. IV, 
8.7. — DeGroot, The Religious System of China, 1892, Bd. I, Buch I, S. 270 ff. und 275. — 
Im Liki wird der Brauch erwähnt, dem Toten den Mund mit Reis zu füllen und dann 
Kaurimuscheln, wahrscheinlich damaliges Geld, hineinzulegen. Erst während der Han- 
dynastie verwendete man beim Tode der Vornehmsten Perlen, Jade und späterhin 
auch Münzen in ähnlicher Absicht. — Für die Frage der Zusammenhänge zwischen ost- 
asiatischen und mexikanischen Sitten ist diese Übereinstimmung nicht unwichtig. 
6) Erst 1860 von Fischer chemisch und mikroskopisch untersucht. — Fischer, 
Nephrit und Jadeit, Stuttgart 1881, 2. Auflage. — Meyer, Jadeit- und Nephrit-Objekte, 
Leipzig 1882/83. — Meyer, Die Nephritfrage kein ethnographisches Problem, Berlin 1883. — 
Meyer, Über Nephrit und ähnliches Material aus Alaska, Verein für Erdkunde, Dresden 
1884. — Meyer, Ein weiterer Beitrag zur Nephritfrage, Anthrop. Ges., Wien 1884.
	        
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