Full text: Die Baukunst. Das Kunstgewerbe: Bronze, Töpferei, Steinarbeiten, Buch- und Kunstdruck, Stoffe, Lack- und Holzarbeiten, Glas, Glasschmelzen, Horn, Schildpatt, Bernstein und Elfenbein (Band 2)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
342 Steinarbeiten 
kauft werden. Heute ist ganz China überschwemmt mit Nephritarbeiten, aber 
gewisse Größen, Farben und Arbeiten werden auch heute noch sehr hoch 
geschätzt. 
Technik 
Auf welche Weise die Chinesen die harten Steine so zierlich zu bearbeiten 
verstanden, war lange Zeit ein Rätsel. Europa hat niemals gleich kunstvolle Ar- 
beiten in so zähem Material hergestellt. Die sorgfältigen Untersuchungen er- 
gaben das überraschende Resultat, daß die erstaunlichen Leistungen mit ein- 
fachen, kleinen Handwerkszeugen primitiver Art bewirkt wurden. 
Das wesentlichste Instrument ist eine kleine, wagerecht lagernde Achse, die 
durch eine Schnur mit einfachem Fußbrett zum Drehen gebracht wird. An der Spitze 
der Achse werden winzige Kreisscheiben von verschiedener Dicke und Größe auf- 
gesteckt, die an bekannte Schleifinstrumente der Zahnärzte erinnern. Zuerst wird 
mit einer Stahlscheibe unter Beimengung von rotem Sand der rohe Nephritblock 
zersägt und dann weiter in kleinere Stücke zerschnitten. Breite Ringräder, auf 
Holz montiert, schleifen alle Unebenheiten und Rauheiten weg und weitere Holz-, 
Leim- und Lederräder geben die glänzende Politur. Sobald der Block fertig ist, 
beginnt die Ornamentierung. 
An Stelle der Scheiben und Ringe werden Nadeln verschiedener Form auf 
die drehbare Achse gesteckt. Zuerst bohren gerade Nadeln die Fläche an und dann 
folgen merkwürdig gewellte Stahlnadeln und Schaber, die bei gleichzeitigem Ein- 
streuen von Sand das Bohrloch ausgestalten. Reliefschnitzereien werden mit kleinen 
Scheibenrädern aus Stahl in verschiedenen Formen und Größen bearbeitet, die von 
den Chinesen ‚Nägel‘ (ting tsu) genannt werden, weil sie wie Nägel mit runden 
flachen Köpfen aussehen. Sie sind bald scharf wie ein Messer, aber auch mit 
dickerem Rand, je nach der Verwendung. 
- Bei offenen, durchbrochenen (&-jour-)Arbeiten werden dem Muster entsprechend 
zuerst Bohrlöcher mit Diamantbohrern, die in der primitiven Art des Drillbohrers 
bei den wilden Völkern gehandhabt werden, hergestellt. Ein Gewicht preßt durch 
Hebel den senkrechten Bohrer auf das zu bearbeitende Nephritstück, das, auf dem 
Tische liegend, von der linken Hand gehalten und geführt wird, während die Rechte 
den primitiven Bohrerbogen bewegt. Durch das so entstandene Bohrloch wird der 
Stahldraht gezogen, dieser an einem Bogen, in Art unserer Laubsäge, befestigt 
und dann bis zum nächsten Bohrloch gesägt, und so fort, bis das Zwischenstück 
herausfällt. 
Der Stein wird gegen ein aufrechtstehendes Holzstück gepreßt und festgehalten. 
Kleine Stückchen, wie Schnupftabakdöschen, können nicht in der Hand gehalten 
werden und werden daher in Öffnungen von Holzbrettchen, in einem Bambus- 
zylinder, befestigt und dann bearbeitet, indem die linke Hand den Diamant- 
bohrer aus Eisen am Handgriff herabdrückt und die Rechte den Bogen zum 
Drehen des Bohrers bewegt. Dann kommt zur Fertigstellung die Holz- und 
Lederpolitur mit entsprechenden Scheiben von verschiedenen Breiten und Durch- 
messern. 
Es ist überraschend, mit wie primitiven Mitteln die meisterliche Wirkung 
erzielt wird. Allerdings kommt als wichtigstes Hilfsmittel die unendliche Geduld 
des Chinesen hinzu. Der hohen Wertschätzung der Nephritarbeiten stand ein lächer- 
lich niedriger Arbeitslohn gegenüber, so daß die aufgewendete Arbeitszeit keine 
Rolle spielte. 
  
  
 
	        
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