Erstes Jahrtausend — Menschen- und Tiermuster 383
nach dem Berliner Museum für Völkerkunde
gebracht haben, verschiedene Stoffe in Farbe
und Muster. Auch sind aus Turkestan Original-
malereien auf Stoffen und Stickereien in
prächtig erhaltenen Farben nach Berlin,
London und Paris gebracht worden, die
uns ein lebendiges Bild von dem Luxus der
damalıgen farbenfreudigen Textilkunst geben.
Wie in der Hanzeit, kam auch unter den
Tangherrschern eine neue Welle von Anregung
und Vorbildern aus dem Westen. Die ost-
asiatischen Künstler haben in ihrer Eigenart
oft interessante lokale Ausgestaltungen er-
sonnen, allerdings auch in verständnisloser
Nachahmung häufig die fremdländischen
Motive entstellt.
Für die Menschen- und Tiermuster
läßt sich der westliche Einfluß nur aus Ähn-
: : - : SFHheNr KISREISI |
lichkeiten in der Auffassung vermuten, nicht FERRESINEn |
im einzelnen nachweisen, aber bei einer seide- Anb..560. - Setdänstolt, Dersisches Hissatlden:
nen Fahne (Abb. 559) in Japan mit vier könig- muster, Reiter auf Löwenjagd, in Perlenrand
: ee = : ä = mit Blattranken und Weintrauben, inı
lichen Reitern können wir sogar Zeit und Ent- Horiujikloster Nara, Japan, angeblich Zeit
-algy 5 nn : > s Prinz Shotoku (572—621), 7. Jabrhunder
stehungsland der Vorlage mit Sicherheit fest- (Aus: Kodama, Shinsen Kodaimoyo Kagami,
stellen. Die Jagd mit dem nach rückwärts Tokio, 1884)
” i Text s. $. 385
gewendeten Bogenschützen zu Pferde haben wir
schon auf Steinreliefs (Abb. 90) und Töpfereien (Bd. I, Abb. 52) der Hanzeit kennen
gelernt, aber auf dem farbigen Stoffe hat der gepanzerte Reiter einen besonderen Kopf-
putz, der ihn als den Sassanidenkönig Chosru II. von Persien (596—628) erkenntlich
macht. Chinesische Schriftzeichen im Kreis auf den Hinterbeinen der unteren Pferde
geben die Fabrikation im Osten an. Aus Persien stammt das geflügelte Pferd, der
hochspringende, in China unbekannte Löwe, der Lebensbaum mit dem Gegenüber der
Reiterbilder, ebenso der Scheibenkreis 1) und die Pflanzenrosetten in ihrer edlen
1) Dreger, Westöstliches in der Textilkunst S. 204, und Dreger, Künstlerische Ent-
wicklung der Weberei und Stickerei, 1904, S. 40. — Dreger vermutet, daß die leeren Scheiben
im Kreis eine „unleugbare Nachahmung eines buddhistischen Symbols, das doch wohl nur
durch Vermittlung von Stoffen und da am besten durch Vermittlung ostasiatischer Seiden-
stoffe nach dem Westen gelangt sein kann“, darstellen. Der Einfluß im 2. Jahrtausend von
Osten nach Westen ist sicher, aber im 1. Jahrtausend ist er durch nichts bewiesen und sehr
unwahrscheinlich. Dreger selbst gibt auf S. 187 eine sehr interessante Abbildung. eines
Wolleinsatzes mit Scheibendekor aus einem spätantiken ägyptischen Grabe wieder, das
vielleicht dem 6, Jahrhundert entstammt. Bis jetzt ist im Osten aus einer Zeit vor obigem
Stofffragment eine Scheibenverzierung im Kreis nicht bekannt geworden.
Die von Dreger auf S. 126 herangezogenen ostasiatischen Muster mit drei Perlen in
ganz ähnlicher plastischer Wirkung wie der ägyptische Stoff, stammen ungefähr aus dem
Jahre 1000 und dürften nach meiner Meinung aus der gleichen Quelle wie das noch später
von den Türken verwendete Muster mit den drei Kugeln und Wellenlinien, dem: Wappen
Tamerlans, herrühren. Jedenfalls ist gar kein Anhalt gegeben und aus dem Vergleich
mit gleichzeitigen Ornamenten anderer Techniken wird es höchst unwahrscheinlich, daß
dieses Motiv aus dem Osten nach dem Westen kam. Das ägyptische Muster zeigt in
plastischer Wirkung die sachliche Darstellung, von runden Perlen, die in realistischer
Form im Osten erst viel später vorkommen. Es ist daher anzunehmen, daß im’ Westen
zuerst ‚Perlenrahmen dargestellt wurden. In der Webetechnik vereinfachte sich dann
die plastische Form zur glatten Scheibe, und als solche wurde sie nach Ostasien ein-