Jagdmuster — Tiermuster — Geometrische Ornamente 385
Seidenstoff in Japan (Abb. 560) an. Auch hier
finden wir die Löwenjagd im Scheibenkreis dar-
gestellt, aber der ostasiatische Zeichner hat
alles mißverstanden, oder der Weber hat es
nicht besser fertig bekommen. Ebenso flüchtig
sind anspringende Hirsche im Gegenüber
(Abb. 561), Vögel, Berglandschaften und
: z a
Pflanzenmotive behandelt. Alles ist ver- Abb. 562 Löwen im Gegenüber mit Lebens-
schwommen und ungenau. Vielleicht komm#+ baum im Kreis mit Pflanzenornamentik, Rest
. “ 1 a : eines Seidenstoffesim Tempel Horiuji, Nara,
die Ausführung auf das Konto des japanischen Japan, 7. bis 8. Jahrhundert
Webers, aber es fehlen Vergleichsstücke, um en
für China eine bessere Durcharbeitung dieser
fremdländischen, bisher unbekannten Motive annehmen zu können. Ebenso un-
natürlich stilisiert ist ein Löwenpaar (Abb. 562), das gleichfalls Sassanideneinfluß
aufweist.1) Diese wenigen zufällig erhaltenen Stücke lassen uns den reichen
Motivenschatz ahnen, der damals aus dem Westen nach dem Osten kam. Ein
Vergleich der Stoffe beider Weltgegenden zeigt, wie die rein ornamental stilisierte
Flächendekoration unter dem Einfluß der naturalistischen Tangmalerei in China
gewisse Abformungen erhielt, die für den Osten charakteristisch blieben und in
gleicher Weise bei anderen Techniken vorkommen (z. B. Silberkanne, Abb. 310).
Diejenigen Darstellungen, die nicht verständnislose Kopien fremder Stoff-
vorlagen, sondern Nachbildungen einheimischer Malereien sind, zeigen eine gute
Zeichnung. An die herrliche Silberschale mit ihren Jagdgravüren (Abb. 312)
erinnern der fliehende Steinbock (Abb. 564, c) sowie die in die Fläche ge-
streuten Hügel und Pflanzenmotive (a). Die sich gegenüberstehenden Steinböcke
lassen ein gewisses naturalistisches Streben in Kopf- und Beinhaltung er-
kennen (b), und der stilisierte Lebensbaum ist zu einer üppigen Pflanzenstaude
geworden.
Als eine völlig chinesische Ausführung in Idee und Zeichnung erscheint mir
das Vogelpaar im Kreise (a). Wann diese Form zuerst aufkam, ist bisher nicht fest-
gestellt, aber sie dürfte mit der symbolischen Darstellung des Dualismus in der
Welt, mit dem Ying- und Yanzeichen im Kreise zusammenhängen. Bis in die
moderne Zeit blieb das Tierpaar ein bedeutungsvolles Motiv, das, wenn es im
Westen vorkam, stets als chinesisches Motiv anerkannt wurde.
Sehr interessant und kostbar ist ein Vogelpaar mit gespreizten Flügeln, das mit
der Brust sich zueinander wendet, aber den Kopf nach außen dreht (Tafel XXIII, 5).
Leider ist dieses Seidendeckchen für seinen Zweck im Spiegelkasten zurechtgestutzt,
indem das Mittelstück für den Spiegelknopf herausgeschnitten ist; dadurch erscheinen
die Vögel wie ein Adler mit Doppelkopf. Die Darstellung scheint einem persischen
Gegenüber nachgebildet zu sein, wie auch die edlen Rosettenmuster in der Um-
rahmung nach dem Westen weisen. Ein fliegendes Kranichpaar mit Zweigen
im Schnabel (f) ist rein dekorativ als Flächenfüllung behandelt.
Eine weitere Gruppe bilden die geometrischen Ornamente. In
herrlichen Farben finden wir ein Ineinanderlaufen der Fäden (c) oder ein Zickzack
von Farbenstreifen (d), das als Blitzmuster auf dem Hintergrunde bei Buddha-
bildern vorkommt. Eine vortreffliche Zirkelkonstruktion zeigt ein Kreismuster (e),
das von den Japanern „koreanisch“ genannt wird. Auch eine Amulettasche trägt
ein sehr sauber gezeichnetes abgepaßtes Muster (g).
1) F. W.K. Müller, Aus der Kokkwa, Ethnol, Notizblatt, Bel. II, 1899, Heft 1. —
Weitere Stoffmuster im Sassanidenstil, s. Münsterberg, Japanische Kunstgeschichte, Bd. T.
Farbige Tafel XIV.
Münsterberg, Chinesische Kunstgeschichte II 95