Full text: Die Baukunst. Das Kunstgewerbe: Bronze, Töpferei, Steinarbeiten, Buch- und Kunstdruck, Stoffe, Lack- und Holzarbeiten, Glas, Glasschmelzen, Horn, Schildpatt, Bernstein und Elfenbein (Band 2)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
Sr in 
394 Stoffe — Stickereien und Gewebe 
Alles, was nicht westasiatisch in Idee und Stil ist, gilt in der europäischen 
Literatur als chinesich; aber ich meine, daß hierbei schärfere Unterschiede zu 
machen sind. Häufig handelt es sich um westliche Ausgestaltungen chinesischer 
Grundideen, selten um Kopien ostasiatischer Vorlagen und mitunter um west- 
asiatische Erfindungen, die erst später nach dem Osten drangen. 
Chinesische Stoffe aus dem 14. Jahrhundert sind uns aus China nicht bekannt 
geworden. Da wir jedoch wissen, daß die Seidenweberei damals an vielen Orten 
blühte,1) so ist es wohl möglich, daß in Europa zufällig erhaltene Stücke?) aus dem 
Osten stammen; ein Beweis liegt allerdings nicht vor. Sicher ist, daß zur Zeit der 
Mongolenherrschaft die chinesische Malerei die Künste aller übrigen asiatischen Völker 
weitüberragte und daher besonders in Persien auf die Miniaturmalerei von entscheiden- 
dem Einfluß wurde. So sind die Motive von Phönix, Drache, Wolkenband (s. 8.398) und 
Schriftzeichen nach dem Westen gewandert. Aber für die dekorative Flächendekoration 
scheint mir das ganz und gar nicht zu gelten und eher der umgekehrte Fall vorzuliegen. 
Bei gewissen Arten der Töpferei sahen wir bereits, daß China nicht der gebende, 
sondern der empfangende Teil war (s. 8. 272). Erst unter dem persischen Einfluß 
entstand in China die Blauweißmalerei im 14. Jahrhundert, um allerdings im 16. Jahr- 
hundert, als Persiens künstlerische Kraft im Versagen war, als typisch ostasiatische 
Porzellanmalerei in vollendeter, dem Vorbild überlegener Ausarbeitung nach dem 
Westen zurückzukehren. 
Eine genau gleiche Entwicklung werden wir bei den Schmelzarbeiten (S. 461) 
kennen lernen, die auch erst unter westlichem Einfluß im 14. Jahrhundert in China 
aufkamen. Im11. Jahrhundertschufen zu Konia die Seldschuken?) Wanddekorationen, 
die Martin besonders wegen ihrer Farbenstellung von tiefblau oder dunkelviolett, meist 
mit schwarz und einem türkisblauen Grunde als chinesisch erklärt, weil sie mit den 
typischen Farben des chinesischen Email übereinstimmen und nicht arabisch oder 
persisch sind. In Wirklichkeit war die Entwicklung entgegengesetzt vor sich ge- 
gangen. Im Westen blühte damals das Metallgewerbe, während China nichts Ähn- 
liches aufzuweisen hatte und seine herrliche antike Bronzekunst dem Verfall entgegen- 
sing. Es ist daher viel wahrscheinlicher, daß westliche Handwerker mit der Technik 
des Zellenschmelzes auch die Farbenstellung an den luxuriösen Hof der Mingkaiser 
brachten. 
Wie wir bei den Emaillen sehen werden (8. 463), kam aus dem Westen mit der 
Technik und den Farben auch jenes eigenartige Rankenornament, das „Wurm- 
muster“, das in China in den letzten Jahrhunderten eine große Rolle gespielt hat. 
Wir finden es besonders häufig auf Schmelzarbeiten (Abb. 637) und Stoffen (Abb. 571). 
Bisher fehlt jeder Anhalt, daß es in China vor dem 14. Jahrhundert, also vor dem 
Aufkommen des Zellenschmelzes, bekannt war. Wie wir sehen werden, kommt es bei 
1) Yule, The book of Ser Marco Polo, London 1903. — Marco Polo berichtet aus 
dem 13. Jahrhundert von den verschiedensten Plätzen, die er besuchte, daß Seide im 
Überfluß vorhanden sei. (Bd.I, 8.415; Bd. II, $. 22, 31, 133, 136, 141, 152, 157, 158, 
176, 178, 181, 187, 216, 219). Bei einzelnen Gegenden rühmt er besonders die Stoffe aus 
Seide mit Gold gewebt (Bd.I, 8.285; Bd. II, 8.133, 157), die Goldbrokate (Bd. II, 
S. 181) und andere Sorten. Zwei Sorten führt er namentlich auf: nasish und naques 
(Bd. I, $. 285), aber eine Beschreibung des Ornamentes fehlt. Nur bei den Arbeiten zu 
Kerman (Bd. I, 8. 90) rühmt er die Stickereien der Frauen und Töchter in verschiedenen 
Farben auf Seide, die wilde Tiere, Vögel, Blumen, Bäume und andere Muster darstellen. 
2) Martin, Oriental carpets, Fig. 53, 54, 56. Seide mit Gold für den mohammme- 
danischen Orient (14. Jahrhundert) nach Lessings Gewebesammlungen. — Ähnliche 
Stücke in den Kunstgewerbemuseen zu Berlin und Düsseldorf sowie im Victoria- und 
Albertmuseum in London, die nach den Ornamenten als chinesische Stoffe des 14. Jahr- 
hunderts angesprochen werden. 
3) Martin, Oriental carpets, S. 112. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.