Full text: Die Baukunst. Das Kunstgewerbe: Bronze, Töpferei, Steinarbeiten, Buch- und Kunstdruck, Stoffe, Lack- und Holzarbeiten, Glas, Glasschmelzen, Horn, Schildpatt, Bernstein und Elfenbein (Band 2)

Westlicher Einfluß — Wurmmuster — Streumuster 395 
den Emaillearbeiten des Westens schon auf der berühmten Schale zu Innsbruck 
aus dem 12. Jahrhundert (Abb. 642) vor, und auf Teppichen besonders aus Herat 
im 12. und 13. Jahrhundert.*) Also auch hier dürfte Westasien der Erfinder gewesen 
sein, und China hat nur das Verdienst, in den letzten Jahrhunderten das fremde 
Motiv des Wurmmusters in reicher Variation ausgestaltet und in der übrigen Welt 
bekannt gemacht zu haben. 
Auch das im Osten so charakteristische Streumuster dürfte erst in ver- 
hältnismäßig jüngerer Zeit aus dem Westen, vielleicht aus Indien, nach China ge- 
kommen sein. Auf Bildern aus der Mongolenzeit (Abb. 572, 573) finden wir mit be- 
sonderer Sorgfalt Stoffe gemalt, die mit aufgestreuten Blüten und Blättern bedeckt 
sind. Es scheint, als wenn erst im Mittelalter diese Verzierungskunst aufkam. Doch 
bei dem Fehlen der Malereien aus dem ersten Jahrtausend lassen sich nur Vermutungen 
aufstellen. Vielleicht ist 
das Motiv schon etwas 
früher angewendet 
worden. Aufden Hin- 
tergründen der Fresko- 
malereien im Grotten- 
tempel zu Ajanta in 
Indien finden wir 
große Flächen der 
Wände und des Fuß- 
bodens mit unsym- 
metrisch hingestreu- 
ten, einzelnen Blu- 
men und Blättern be- 
  
  
  
  
  
deckt, =) die an die Abb. 571 Seidendamast, Päonienblumen mit Ranken in „ Wurmmuster* 
3 = von einer chinesischen Bildeinrahmung in Japan 
Mosaikfußböden der (Aus: Bijitsu Gaho, Bd. IV, 4—1899) 
Römer erinnern. Je- 
denfalls sind vor den indischen Fresken, also vor dem 6. Jahrhundert, derartige 
Muster weder in Malerei noch in den Stoffen Chinas bisher bekannt geworden. Bei 
den persischen Miniaturen ist dieser Dekor sehr beliebt, aber dem großzügigen 
Geiste chinesischer Malerei in der klassischen Zeit der Tang- und Sungdynastien 
dürfte diese geistlose kleinliche Füllung der Fläche unmöglich entsprochen haben. 
Auch in Japan findet sich erst im 13. Jahrhundert ein derartiges Muster. ?) 
Auf unseren Bildern (Abb. 572, 573) lernen wir die chinesische Stoffanwendung 
gut kennen. Die Mandarine tragen als Kleid einfache glatte Stofie, die durch 
Streifenbesatz oder bei dem Übereinander von mehreren verschiedenfarbigen Kleidern 
durch Farbstreifen an den Rändern etwas belebt werden. Nur bei dem Zeremonial- 
kleid werden in alter Tradition Stickereien mit den Emblemen der Würde angelegt. 
Dagegen ist der Thronsessel der Regenten mit kostbaren Stoffen bedeckt, die in 
ihrer regelmäßigen Wiederholung des Musters an die antiken Stoffe, die das westliche 
Flächendekor im Grundcharakter bewahrt haben, erinnern. Die Tischseiten sind 
mit dem weniger feierlichen Streumuster bedeckt. 
1) Martin, Oriental carpets, S.72. Rankenmuster kommen in der persischen Kunst 
überall vor — Sarre, Islamische Tongefäße aus Mesopotanien, Jahrbuch der K. preußischen 
Kunstsammlungen, 1905, S.74. Spiralen bilden den Hintergrund von 2 Drachen an Bagdads 
Haupttor von 1221 — Sarre, Denkmäler persischer Baukunst, Rankenmuster bilden den 
Hintergrund für Inschriften, besonders in der 1242 erbauten Sirtcheli Medressen zu Konia., 
2) Stübe, Die Reiche der Indogermanen in Asien und die Völker Zentralasiens, 
von Pflugk-Hartung, Weltgeschichte, Abb. S. 361, 367, 875. — Nach Grifith, The pain- 
tings in the buddhist cave temple of Ajanta, London 1896. 
3) Münsterberg, Japanische Kunstgeschichte, Bd. II, Abb. 79, S. 96. 
  
  
  
  
  
  
 
	        
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