Gravierung — Wertschätzung in China und Japan 425
bis jetzt für diese Annahme jegliche Beweise, aber da die Chinesen auf allen Ge-
bieten als Lehrmeister der Japaner aufgetreten sind, so ist es sehr wahrscheinlich,
daß sie es auch in der Lackmalerei waren. Wenn in China im Gegensatz zu
den Verhältnissen in Japan keine alten Lacke erhalten blieben, so sind die Kriege,
Revolutionen und Feuershrünste natürlich an erster Stelle als Grund anzusehen.
Aber es kommt hinzu, daß die Chinesen mit ihrem historischen Sinn ‘an erster
Stelle die archäologischen Gegenstände und Inschriften schätzten und von den
modernen Techniken nur die feinsten Porzellane und Steinarbeiten- ihres Kunst-
wertes wegen sammelten. Die dekorierten Zweckgeräte sind verbraucht und
verschollen. Bei dem begrenzten Gesichtskreis der Japaner dagegen wurden
prunkende Zierstücke aller Arten und Zeiten der technischen A wegen
aufbewahrt und gesammelt.
Hierdurch entstand ein wesentlicher Unterschied in der Bedeutung der Kunst-
artikel auf dem Festlande und auf dem Inselreiche. Seit der Sungzeit sammelten
die Chinesen und bezahlten enorme Preise für alle prähistorischen Stücke, besonders
für antike Bronzen und Jadearbeiten, und seit der Mingzeit für feinste Porzellane
— die Japaner hatten in der gleichen Epoche noch kein Verständnis für die von den
Chinesen am höchsten geschätzten Werke. Erst im 15. Jahrhundert begann sich
Japan wieder mehr um den chinesischen Geschmack zu kümmern, aber auch dann
haben die kostbarsten Schätze nicht ihre Heimat verlassen.
Die Lackarbeiten dürften in China seit altersher nie mehr gewesen sein als
geschmackvoll dekorierte Gebrauchsgegenstände, denen ein höherer Sammlungswert
nicht beigelegt wurde. Sicher ist viel Geschmackvolles und Schönes geschaffen
worden, denn die luxuriösen Paläste werden neben den Kunstschätzen auf anderen
Gebieten auch gleichwertige Tische und Sitze, Schränke und Truhen, Tablette und
Untersätze, Kästen und Döschen enthalten haben. Marco Polo!) berichtet z. B.
von einer gelackten-Holzvase mit Silbereinsatz von über 5 m Höhe. Aber kein
Stück wird so kostbar und liebevoll ausgeführt worden sein wie die bunten Eier-
schalentassen aus Porzellan oder wie in Japan die zierlichen Goldlackdöschen.
Wäre es anders gewesen, so würden die Quellen in der chinesischen und euro-
päischen Literatur genauere Hinweise enthalten, und vor allem hätten die aus-
führlichen Kataloge der kaiserlichen Sammlungen wenigstens einzelne Typen: über-
mittelt. Zwar werden Lackarbeiten wiederholt von den Schriftstellern gerühmt?)
und ihre Technik beschrieben, aber Lobpreisungen wie bei den am höchsten ge-
schätzten Kunstarbeiten fehlen.
chinesischen Malers. Jedenfalls dürfte die Malerei nicht vor der Mingzeit entstanden
sein. Bei dem völligen Fehlen von Originalen zum Vergleich ist es schwierig, über
Ort und Zeit der Herstellung etwas zu bestimmen.
!) Yule, Marco Polo, 1903, Ba. I.
2) Bushell, Chinese art, Bd. II, S. 124, Tsao Chao, Ko Ku yao lun, 1387 und S. 126
Chang Ying-zwen, Ch’ing po Ts’ang 159.