450 Glas — Erstes Jahrtausend
Glasformer werden wohl keine genaueren Untersuchungen angestellt, sondern einfach
die Angaben des einzelnen aufgeschrieben worden sein. Soweit eine Übereinstimmung
beider Quellen vorliegt, ist die Tatsache der Einführung der Glasfabrikation im
zweiten Viertel des 5. Jahrhunderts durch fremde Handwerker aus dem Westen
als richtig anzunehmen.
Wie lange die Fabrikation bestand, wissen wir nicht; jedenfalls war sie im 7. Jahr-
hundert schon wieder verloren gegangen, denn chinesische Autoren !) berichten, daß
im Anfang des Jahrhunderts Versuche zu ihrer Wiederentdeckung gemacht wurden.
Nach Hirths Übersetzung?) berichtet Yen Shihku, der 645 als fünfundsechzig-
jähriger Greis starb, in einer Glosse zu den Hanannalen, daß ‚zu seiner Zeit durch
Schmelzen von Steinen mit gewissen Drogen eine Art Glas gemacht wurde, die sich
allerdings von den echten syrischen oder indischen durch größere Zerbrechlichkeit
unterschied“. Diese geringere Qualität dürfte dem üppigen Geschmack der Tangzeit
nicht genügt haben, so daß die Fabrikation allmählich ganz aufhörte. Glas war
damals kein Gebrauchsartikel, sondern ausschließlich ein Luxusgegenstand. Auch
die Tatsache, daß der Import dieser zerbrechlichen Güter nicht aufhörte, beweist,
daß bessere Qualitäten nicht hergestellt werden konnten. Japanische Schriftsteller ®)
berichten, daß unter Kaiser Mommu (697—707) in der kaiserlichen Münze eine Glas-
fabrik eingerichtet wurde. Aber sicher wird dort auch nur eine ganz minderwertige
Ware wie auf dem Festlande hergestellt worden sein, denn sonst wäre nicht ebenfalls
eine Einstellung der Fabrikation erfolgt, um so mehr, als die Chinesen eifrig bemüht
waren, die Kunst der früher eingewanderten Glasbläser wieder aufleben zu lassen.
In den Annalen der Liangdynastie (502—556) werden Gesandtschaften des
Königs von Khotan aus den Jahren 509—541 an dem chinesischen Hofe erwähnt,
die mit anderen Tributgeschenken „Glasvasen und eine Buddhastatue aus
fremdem Lande‘ brachten.*) Eine Gesandtschaft aus Tokhara hatte 619 durch-
sichtige Glasbecher (Polipei) an China geschenkt.?) Wir können daher annehmen, daß
im 5. und 6. Jahrhundert durch fremde Handwerker eine kleine Produktion erzeugt
wurde, daß man aber nur minderwertige Ware in opakem Glas herzustellen verstand,
die feineren Gefäße dagegen stets aus dem fernen Westen importiert wurden.
Aus dieser Zeit sind einige Stücke in Japan und in Turkestan erhalten, die uns
ein ungefähres Bild der heimischen Fabrikation und des Importes geben. In China
selbst befindet sich nichts mehr.
In Japan sind weiße und blaue Glasscherben in dem Grabe des Kaisers
Nintoku aus dem 5. Jahrhundert und ein weißer Glastopf mit runden Buckeln®) in dem
Grabe des Kaisers Ankan aus dem 6. Jahrhundert gefunden worden. Außerdem soll
das Museum in Tokio einen im Jahre 1833 gefundenen grünen Glastopf, der die Asche
!) Nach Wen-fang-ssü-K’ao, Kap. 3, S. 49.
2) Hirth, Chinesische Studien, Leipzig 1890. Zur Geschichte des antiken Orienthandels,
S. 15. — Hirth, Ancient porcelain; a study in Chinese medisval industry and trade, Leipzig
1888, S.5. In dem Sui-shu, der Geschichte der Sui-Dynastie (581—618) wird berichtet,
daß Ho Ch’ou oder Ho Kuei-lin, der im Beginn des 7. Jahrhunderts Präsident des Arbeits-
ministeriums und als Kenner der Altertumskunde berühmt war, das Geheimnis der Glas-
fabrikation wieder zu entdecken versuchte.
3) Jokohi, Kokka, Heft 152, Emaillearbeiten. — Haas, Die Ablösung des koreanischen
Einflusses durch den chinesischen, Zeitschrift für Missionskunde und Religionswissen-
schaft, 1911, XX VI, 9, S. 17. Japaner gingen 607 nach China .zum Studium des Buddhis-
mus und in den folgenden Jahrzehnten trat „kaum ein Kauffahrteischiff die Fahrt nach
einem der Häfen Chinas an, ohne daß es japanische Priester an Bord hatte“.
#) Stein, Ancient Khotan, detailed report of Archsological explorations in Chinese-
Turkestan. Oxford 1907, S. 170.
5) Hirth, Zur Geschichte des Glases, S. 63.
6) Jokohi, Kokka, Heft 152, Abgebildet im Shukozu (Skizzen alter Kunstwerke).