Full text: Die Baukunst. Das Kunstgewerbe: Bronze, Töpferei, Steinarbeiten, Buch- und Kunstdruck, Stoffe, Lack- und Holzarbeiten, Glas, Glasschmelzen, Horn, Schildpatt, Bernstein und Elfenbein (Band 2)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
454 Glas — Zweites Jahrtausend 
Flaschen und Gläser als Kostbarkeiten gesammelt. Gläser im „Stile von Damaskus“ 
werden in alten Inventaren Europas besonders hervorgehoben. 
Die syrische Glasindustrie hörte völlig auf, als Tamerlan 1400 Damaskus er- 
oberte und alle Kunsthandwerker nach seiner Hauptstadt Samarkand übersiedelten. 
Im Westen übernahm Venedig die Erbschaft Syriens, das nicht mehr die Kraft 
besaß, die Industrie von neuem zu beleben. Bei den regen Beziehungen zwischen 
Tamerlan und seinen Nachfolgern mit dem chinesischen Kaiserhaus (S. 267) ist es 
natürlich, daß die Kenntnis der Glasarbeiten auch nach dem Osten drang. Jeden- 
falls werden in China seit den Tagen der Sungzeit bis um 1430 kaum Glasarbeiten, 
die damals noch als ‚‚Edelsteine des Westens‘ (S. 446) geschätzt wurden, erwähnt, 
während dann ein starker Import von westlichen Glasarbeiten mit buntem Emaille- 
dekor stattgefunden haben muß, da eine Anzahl dieser Gläser in moderner Zeit 
aus China nach Europa gekommen ist.*) Europäische Kristalle und Gläser sind 
während der folgenden Jahrhunderte ebenfalls zahlreich eingeführt worden. ?) 
Die Produkte der heimatlichen Industrie scheinen gegenüber den kunstvollen 
Arbeiten des Imports keine besondere Beachtung in der Mingzeit erlangt zu haben. 
Die große Bedeutung der Einführung der Technik bestand in der Ermöglichung 
einer durchsichtigen Glasur für Töpfereien, durch die der glänzende Aufschwung 
der Porzellanmalerei unter der Glasur ermöglicht wurde (8. 270). Eine Belebung 
der Glasfabrikation fand erst statt, als 1680 unter dem kunstsinnigen Kaiser Kanghi 
neben sonstigen Werkstätten auch ein Atelier für Glasarbeiten im Kaiserpalast zu 
Peking eingerichtet wurde.3) Das 18. Jahrhundert scheint eine Blütezeit der Fabri- 
kation gewesen zu sein. Wie weit ein europäischer Einfluß von Bedeutung gewesen 
ist, läßt sich nicht mehr feststellen, aber wohl vermuten. Die christlichen Missionare 
berichten (1770), daß auch europäische Motive verwendet wurden. Es war die Zeit, 
als der Kaiserpalast in europäischem Stile (Abb. 73) gebaut wurde und die Jesuiten 
großen Einfluß besaßen. Die schwierige Arbeit wird besonders betont, da kein 
Blasen des Glases stattfand, sondern ein Gießen in Formen mit sorgfältiger 
Nacharbeitung der meist dieken Masse. Daher konnte auch eine billige Massen- 
fabrikation, die den Töpferarbeiten irgendwelche Konkurrenz gemacht hätte, nicht 
aufkommen. Später wurden alle Techniken des Blasens, Pressens, Gießens, Schleifens 
und Gravierens u. a. ausgeübt. 
Bis in die moderne Zeit wurden nur kleine Stücke hergestellt, die in Größe und 
Form den Jade- oder anderen Steinarbeiten nachgebildet waren. Die Masse wurde 
durchsichtig oder opak gehalten und oft in den Tönen des Steinmodells täuschend 
ähnlich gefärbt. Vasen in archaistischer Gestalt, runde Schalen und auch mehr 
realistisch geformte kleine Utensilien sind mit Vorliebe hergestellt worden, aber 
fast stets in einfachen Formen und mit glatten Flächen, die die eigenartig satten 
Farben des Glases voll zur Geltung kommen lassen. Nur selten sind Inschriften 
(Abb. 638) oder vereinzelt Linienornamente zu finden. 
Die Chinesen haben monochrom gefärbte Gläser in zarten und lebhaften Farben 
hergestellt, die unter den europäischen Fabrikaten kein Gleichnis haben. Am häufigsten 
1) Migeon, Les arts plastiques et industriels, Manuel d’art Musulman, Bd. II, Paris 1907, 
S. 343, 360, 362. In der Sammlung Sarre, Berlin, befinden sich aus China eingeführte 
Vasen und Becher, die Migeon besonders rühmt. 
2) Bereits 1598 führten die Portugiesen: „Spiegel (bei denen es nicht feststeht, ob 
sie aus Metall oder Glas waren), Elfenbein, allerley schön Cristall und Glas“ ein. Vgl. 
De Bry, Petits Voyages, II, Ander Theil des Orientalischen Indien etc. Erstlich im 
Jar 1596 ausführlich in Holländischer Sprach beschrieben durch Joann Hugo von Lind- 
schotten auß Holland, jetzo aber von neuem in Hochteutsch bracht etc. Franckfurt am 
Meyn, 1598, 8.70. 
3) Bushell, Chinese art, Bd. I, 8.116, Bd. II, S. 63. 
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