472 Glasschmelzen — Grubenschmelz
nicht unähnlich; aber gewisse Ausführungen der Technik ergaben wesent-
liche Abweichungen. Das Ausstechen der Metallfläche gestattete, den Metallgrund
in beliebiger Breite stehen zu lassen, so daß die Farbflächen nicht nebeneinander,
nur durch Linien getrennt, die Träger des Musters wurden, sondern wie schmückende
Edelsteine die Metallfläche unterbrachen. Ein vierfüßiges Fabeltier (Abb. 661) mit
gehörntem Drachenkopf und Flügeln aus vergoldetem Kupfer hat zur Belebung des
in Relief ausgearbeiteten Metalls ausgestochene Zellen von verschiedenen Formen
und Größen erhalten, in denen die Farbmassen als farbiges Dekor eingebrannt sind
und wie eingelegte Steine wirken.
Statt des massiven Metallgusses wurden in den letzten Jahrhunderten auch
dünnere Kupferbleche verwendet, in die das Muster reliefartig herausgetrieben wurde.
Derartige Treibarbeiten mit Emaille (Email repousse, Jewelled enamels)
steigern die Wirkung durch das Relief der Fläche. Ein fünfteiliger Altarsatz (Abb. 662)
mit Räuchergefäß, zwei Leuchtern und zwei Blumenvasen ist in dieser Weise aus-
Abb. 662 Fünfteiliger Tempelsatz: Räuchergefäß auf drei Füßen, mit Deekel und
hohem, durchbrochenem Drachenknopf, zwei Leuchtern mit Manschetten und Tülle,
zwei Flötenvasen mit Mittelwulst. In antiker Form modernisiert, getriebenes
Kupfer mit Ranken, Päonien und Mäanderstreifen, in farbiger Emaille auf türkis-
blauem Grunde, Knopf auf Deckel durchbrochen graviert, Montage Kupfer ver-
goldet. Art Museum Springfield, Mass., Sammlung G.W.V. Smith, 18. od. 19. Jahrh.
(Originalaufnahme)
geführt. Die lebhaften Farben des Reliefs heben sich von dem türkisblauen Grunde
wie aufgelegte Edelsteine ab; häufig ist der Grund weiß emailliert.
Aus dem kaiserlichen Sommerpalast bei Peking stammt eine zehnfach ge-
buchtete Dose (Abb. 663), bei der das erhaben geschlagene Muster vergoldet und der
Grund in Blau emailliert ist. Auf den ersten Blick erinnert das Muster an französische
Renaissancearbeiten, aber bei genauerem Hinsehen finden wir die chinesische Aus-
führung der Päonien und der Mittelrosette. Besonders zu beachten ist, daß jede
biologisch oder geometrisch konstruierte Ausführung der Ranken vermieden ist.
Ohne Zusammenhang untereinander sind die einzelnen Ranken und Blumenornamente
geschickt zusammmengefüst. An der Ausführung läßt sich die chinesische Arbeit
erkennen, aber ob nicht die Einzelmotive auf europäische Vorbilder zurückgehen,
muß dahingestellt bleiben. Möglich wäre es durchaus, denn wir wissen, daß die
Kaiser schon seit der Zeit Ludwies XIV. französische Uhren und Schnupftabak-
dosen mit Emaillemalereien sammelten, und etwa in der zweiten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts ein ähnlicher Stil für die Gebrauchsgeräte am Kaiserhof eingeführt wurde. !)
Es war jene Zeit, als der Chinoiserie in Europa eine Europanachahmung in China
entsprach. Sogar die Bauten wurden diesem fremden Geiste angepaßt (Abb. 70—73).
1) Hippisley, Sketch of the history of ceramic art in China, Washington, 8. 346.