Peking — Kaiserpalast 43
stets rot gemalt und nur am oberen Ende vergoldet oder mit Metall beschlagen.
Die Türen sind ebenfalls rot, oft mit Gold gesprenkelt. Das Gitterwerk an den
Türen ist stets vergoldet. ‚Die Muster — sagen die Japaner — sind stets kon-
ventionell und lassen sich mit denen aus der Tangzeit im japanischen Schatz-
hause nicht vergleichen.“ ‚Die Chinesen sind mehr vertraut mit auswendig ge-
lernten Tieren, wie Löwen u. a., als mit dem Studium der Natur. Es fehlt jede
Originalität. Die Muster der alten Stile sind immer nur kopiert und immer un-
seschickter geworden. Die Umrisse der Tiere sind verschlechtert, die Grazie im
Rankenornament fehlt, die Farben sind unharmonisch gestimmt,“ alles „Beweise
für den jämmerlichen Zustand der heutigen Kunst in China“. ‚Die Roheit der
Arbeit kann an allen Ecken gesehen werden.“ „Nirgends ist freier Raum ge-
lassen worden, sondern stets die ganze Oberfläche mit Mustern bedeckt. Überall
die gleichen monotonen Farben und Formen, ohne Rücksicht auf Material
und Lage.“
Diese japanische Kritik erscheint gegenüber den allgemein üblichen Lobes-
hymnen der durchreisenden Europäer übertrieben, aber die Abbildungen, soweit
sie das Einzelne erkennen lassen,
zeigen tatsächlich eine so geist-
lose und manirierte Verflachung
der Ausführung, daß eine Be-
rechtigung dieser Kritik zu be-
stehen scheint. Das bezieht
sich natürlich nur auf die De-
tailausführung, denn der monu-
mentale Aufbau der Gesamt-
anlage ist mit dem Geiste des
alten guten Originales über-
nommen und wirkt selbst in
der verwässerten Ausarbeitung
noch gewaltig.
Wie bei der Malerei, so
wird auch in der Ausgestaltung Abb. 59 Aufgang zu einem Tempel, in der Mitte Drachenrelief
der Räume die ganze Fläche (Aus Combaz, Sepultures impe6riales de la Chine)
gefüllt; überlieferte Einzelmo-
tive werden nebeneinander gesetzt und in konventioneller Technik handwerksmäßig
ausgeführt. Dabei herrscht ein reicher, üppiger Geschmack. Treppen, Höfe,
k Balustraden mit reichen Reliefs glitzern in weißem Marmor, Tore werden in
originellen Formen mit farbigen Majoliken geschmückt; die Säulen sind rot ge-
malt und die Dächer mit farbig leuchtenden Ziegeln bedeckt. Farbige Materialien
werden verwendet und malerische Fernwirkungen erzielt. Aber wie wenig pro-
portioniert sind die Tore, wie steif der Dachschmuck (Abb. 57), wie plump die
reichen Reliefplastiken (Abb. 58).
Die meist dreiteilige Treppe (Abb. 59) hat in der Mitte keine Stufen, sondern
die Fläche ist mit dem fünfklauigen Drachenbild, dem Kaiserwappen, in Relief
geschmückt und durch Marmorbalustraden von den Seitentreppen getrennt.
Statt durch einfache, wuchtige Formen, durch vornehme Farbakkorde,
durch edle Linien zu wirken, geht der Geschmack auf die Betonung des
Kleinlichen und Zierlichen ein. Altertümliche Laternen, kostbare Bronzelöwen
(Abb. 60), stilisierte Greife und steife Schildkröten, Kraniche oder Pfaue stehen
an den Treppen und Toren (Abb. 320—322). Auf den Treppenabsätzen sind
alte Vasen und Räuchergefäße aus Bronze aufgestellt, alles überladen und nur
selten einheitlich zusammengestimmt (Abb. 326, 327).