Peking — Kaiserpalast 45
„Jene schon früher einmal erwähnte Technik des Schmuckes aus Metall und
eingelegten Eisvogelfedern feierte hier Triumphe. Ich sah ein herrliches, weit über
Mannshöhe großes, 1!/, m breites, bildartig in einen Standrahmen gespanntes und
mit Glas verdecktes Reliefkunstwerk, das ganz in dieser Manier gearbeitet war und
Landschaften mit Bäumen, Wasserfällen, Felsen, Häusern und Menschen enthielt.
Anderswo zeigten sich Standuhren mit bizarren Gestellen, die wie Bäume oder
Felsgebilde aussahen, aber ganz aus Steinen von immensem Wert geformt waren.
Prachtvolle Jade- und Elfenbeinschnitzereien und dergleichen gesellten sich dazu.‘
„Auch geographische Pläne und Karten hingen zahlreich an den Wänden,
weit mehr, als man sie bei uns in Fürstenschlössern zu finden pflegt, und wenn
ich daran denke, mit welcher Ehrfurcht ich als gelehrter Geograph in Europa
die wenigen alten, uns dort zugänglichen chinesischen Karten betrachtet habe,
so kann ich mir vorstellen, an was für Schätzen der historischen Geographie ich
hier so hastig vorübereilen mußte!“
Abb. 61 Geistermauer im Vorhofe des Tempels Tafolou mit vier Paar Drachen in Relief, aus farbig glasierten
Majoliken, Kaiserstadt Peking
(Aus: v. Mumm, Ein Tagebuch in Bildern)
„Besonders viel des Kostbaren enthielten die Prunkgemächer der Kaiserin,
die um einen Nebenhof herumlagern. Köstliche Schnitzereien in elegantem Bambus-
muster bildeten die Fensterwände, zu beiden Seiten des Thronsessels standen ein
paar flache Porzellanschalen von einer Größe und Schönheit der Malerei, wie ich
sie bisher noch nicht gesehen.“
Von all diesen Herrlichkeiten, die Wegener noch sah, ist gar wenig zu uns ge-
kommen. Allerdings eine hohe Kunst scheint es nicht gewesen zu sein, sondern
nur eine spielerische Technik, die mehr Virtuosität in der Durchführung als
Originalität und Kunst in der Komposition und dem Aufbau zeigt.
Eine alte Sitte schützt den Eingang der Amtsgebäude und Paläste vor den Augen
Neugieriger durch eine vorgebaute frei stehende Mauer (tchaoping). Der Aberglaube
späterer Zeit hat sie „Geistermauer‘ oder „Schattenmauer‘“ getauft, sie soll den
bösen Geistern den Zutritt versagen und alle schädlichen Einflüsse fernhalten, da man
annimmt, daß diese sich nur in geraden Linien fortbewegen. Bei Amtsgebäuden ist
oft ein Ungeheuer auf die innere Seite gemalt, um den Mandarin beim Verlassen des
Hauses vor der Bestie ‚„Habsucht“ zu warnen, oder eine feuerrote Riesensonne,
als Sinnbild des reinen Gewissens. Im Kaiserpalast steht vor dem Tempel Tafolou
eine Geistermauer mit vier prächtig belebten Drachenpaaren (Abb. 61) in Majolikarelief.