226 Grundzüge der Baurechts- und Baupolizei - Wissenschaften.
kür und Wahl zu bestimmen. Treten ihr die Veräusserungs- und Ver-
pflichtungs-Fähigkeit, d. h. das Vermögen hinzu, durch Rechts-Geschäfte etwas
aufzugeben oder zu übernehmen, So wird sie zur juristischen Handlungs-Fähigkeit.
Sie kann dauernd fehlen oder vorüber gehend aufgehoben sein.
3. Einfluss staatlicher oder gesellschaftlicher Zustände.
In dieser Hinsicht sind zu beachten:
Die Ausländer-Eigenschaft, Stand, Religion, Verlust der bürger-
lichen Ehre, Makel der Geburt üben im Privatrechts-Gebiete überhaupt
keinen oder doch nur einen sehr geringfügigen Einfluss.
4. Einfluss natürlicher Zustände.
1. Das Geschlecht begründet keine wesentliche Verschiedenheit der privat-
rechtlichen Fähigkeit mehr. Gemeinrechtlich bestehen zwar noch zum Schutze
gegen die Gefahren privatrechtlicher Selbstständiekeit für gewisse Rechts-Hand-
lungen weiblicher Personen strengere Form-Vorschriften, während andere Rechte
solche neuerdings!) aufgegeben haben. : Unverheirathete bedürfen bei eewissen
Angelegenheiten eines männlichen Beistandes?), Ehefrauen zu ihren Erklärungen
ausnahmlos der ehemännlichen Genehmigung, was indess überwiegend mit den
güterrechtlichen Verhältnissen zusammen hängt.
9. Das Alter scheidet die Personen, so weit das Privatrecht in Frage kommt,
in Kinder bis zum vollendeten 7., in Unmündige bis zum vollendeten 14., in
Minderjährige bis zum vollendeten 21. Lebensjahre und Grossjährige nach
Ueberschreiten letzteren Zeitpunktes®), sowie bezüglich des Strafrechts m Straf-
freie bis zum vollendeten 12., und Erkenntniss-Beschränkte bis zum voll-
endeten 18. Lebensjahre.*) ‘Nur Grossjährige sind selbständig handlungsfähig ;
für die Anderen handelt deren Vater oder Vormund.
3, Die väterliche Gewalt macht während ihres Bestandes eine Zustimmung
des Vaters zu den Rechts-Handlungen des Hauskindes nöthig.
4. Krankhafte Körper- und Seelenzustände wirken auf die Handlungs-
Fähigkeit in verschiedenem Umfange:
a. Geisteskranke, d. h. die des Gebrauchs ihrer Vernunft gänzlich Be-
raubten eelten für willensunfähig und sind zu bevormunden;
b. Dasselbe ist bei taub und stumm Geborenen’) so lange der Fall,
sie gelernt haben, sich durch allgemein verständliche Zeichen auszudrücken;
c. Blinde, Stumme, Taube haben ihre rechtlichen Willens-Erklärungen
bis
unter besonderen Formen abzugeben.
5. Muthwillige Misswirthschaft kann zum Verlust der Handlungs-Fähigkeit
führen. indem der Betreffende durch Erkenntniss zum Verschwender erklärt
wird und unter Vormundschaft gestellt werden darf.
5. Mäneel der Willens-Bestimmung.
Als die Willens-Freiheit beschränkende und damit die Handlungs-Fähigkeit vor-
über gehend aufhebende Zustände des an sich Handlunes-Fähigen gelten ferner:
a. Zwang,®) worunter jede physische Gewalt zu verstehen ist, die das Wollen
vollständig aufhebt;
b. Durch eine ernst gemeinte Drohung mit einer veeenwärtigen Gefahr für er-
hebliche Güter des Lebens hervor gerufene Furcht;
ec. Krankheit u. Benommenheit, z. B. durch Uebergenuss von Getränken,
sobald sie die Vernunft zu verdunkeln u. das klare Erkennen zu benehmen geeienet ist.
6. Irrthum’) und Betrug.
Irrthum und Missverständniss heben dagegen die Willens-Freiheit ohne
Unterschied. ob sie selbstverschuldet oder von der anderen Seite absichtlich er-
regt sind, nicht auf, geben jedoch bedingungsweise das Recht zur Aufhebung deı
unter ihrem Einflusse zu Stande gekommenen Rechts-Geschäfte. Sie erstrecken sich
entweder auf die rechtlichen Folgen des Geschäfts oder auf die Eigenschaften
t) z. B. preuss, Ges. v. 1. Dez. 1869.
2) z. B. A. L.-R. OH. 1 $$ 88, 200. C. e. Art. 499, 502, 512 — B. G.B. $$ 1646 1929.
3) R.-G. v. 17. Febr. 1875.
4) Str.-G.-B. $$ 55—57.
5) Neuere Rechte, z.B. preuss. Vorm.-O. $.81 verlangen für sie die Bestellung eines Vormundes
6) D. quod metus causa 4. 2. — De doli mali et metus except. 44, 4, URL 4 S Si
B. @. B. $$ 803 — 834.
7) De juris et facti ignorantia; D. 32:6. Cod. 1. 15. ER BR ST, B. GB. S95 fl.
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