106 Darstellung des Eisens.
g. Verhalten des Flussmetalls beim Giessen.
Während des Erstarrens der Flussmasse beim Giessen und in der Form
entstehen erfahrungsmässig in Folge des Schwindens und durch die Einwirkung
von im Metall eingeschlossenen Gasen Hohlräume im Innern der Gussstücke.
Die Schwindungs-Hohlräume entstehen gewöhnlich an denjenigen Stellen,
wo das Metall am längsten flüssig war, bei prismatischen Blöcken also in der
Nähe ihrer Axe, Fig. 112, bei weniger einfachen Formen in der Mitte der
stärksten Querschnitte, an Kreuzungs-Punkten usw. Diese Räume zeigen deutlich
rauhe, zackige Wandungen, welche durch das Kristallisations-Be-
streben des flüssigen Metalls erzeugt werden und sind luftleer,
wenn nicht etwa bei ihrer Entstehung Gase eindringen konnten.
Bleiben die Schwindungs-Räume luftleer, so kommt es vor, dass die
umgebende Luft sich durch das Metall einen Weg bahnt, um sie
auszufüllen; diesen Vorgang nennt man das Lungern oder
Saugen. Es entsteht dabei eine trichterförmige Oeffnung an der
Oberfläche — der Saugtrichter — welcher nach Innen verläuft.
In noch bedeutenderem Maasse als Schwindungs - Hohlräume treten im
Flussmetall Gasblasen auf, welche sich von jenen durch die glatte Oberfläche
ihrer Wandungen deutlich unterscheiden. Besonders häufig entwickeln sich
beim Flusseisen solche Blasen dadurch, dass der Kohlenstoff auf den im Bade
eingeschlossenen Sauerstoff (8. 91) wirkt und so zur Bildung von Kohlen-
oxydgas Veranlassung giebt. Zuweilen befinden sich im Flussmetall auch ent-
weder von aussen aufgenommene, oder von der Darstellung her noch darin ent-
haltene Gase, welche zwar, so lange sie im Eisen wirklich gelöst sind, d. h.
flüssige Gestalt besitzen, dessen Eigenschaften nicht merklich ändern, aber
beim Erstarren der Flussmasse wieder ihre luftförmige Gestalt annehmen
und unter Funkensprühen und lebhaftem Aufwallen bezw. Aufspritzen des
Metalles ausscheiden.
Die Wirkung der Gas-Ausscheidungen macht sich beim Giessen des Metalls
in offene Formen unangenehm bemerkbar. Dieses bläht sich vor dem gänzlichen
Erstarren auf und wächst in der Form oft derart, dass ein prismatischer Block
unter Unständen fast doppelt so hoch steigt, als er sonst seinem Inhalte nach
könnte. Diesen Vorgang nennt man das Steigen des Flusseisens. Man ist
geneigt, diese Erscheinung mehr der Wirkung von Wassersto ff und Stick-
stoff als derjenigen von Kohlenoxyd-Gas zuzuschreiben }).
Durch die nicht ausgeschiedenen, nach dem Erstarren des Metalls noch in
demselben zurück bleibenden Gase werden birnen- oder wurmförmige Blasen
erzeugt, meist mikroskopisch klein und in gleichartiger Anordnung. Die
Blasen und Schwindungs-Hohlräume, welche das Flusseisen undicht machen,
sind besonders aus dem Grunde eine unangenehme Beigabe desselben, weil ihre
Beseitigung durch das sogen. Dichten der Rohblöcke unter Hämmern oder
Walzen und selbst auch bei der endlichen Formgebung gewöhnlich nicht völlig
gelingt. Die Hohlräume drücken sich dabei wohl platt und strecken sich in
die Länge, aber sie bilden immer unganze Stellen, weil das Flusseisen im
allgemeinen nicht gut schweissbar ist (vergl. unter D).
Bessemer- und Thomas-Eisen sind von allen Flusseisen-Sorten am reichsten an
eingeschlossenen Gasen, ein Umstand der namentlich von der ununterbrochenen
Einwirkung stark gepressten Windes bei der Darstellung herrührt. Jene werden
deshalb zum Stahlformguss, d. h. zum unmittelbaren Guss von Gebrauchs-
gegenständen nur ganz ausnahmsweise benutzt, vielmehr in der Regel in Blöcken
(Ingots) gegossen, welche später durch die Formgebung ihre endliche Gestalt
erhalten müssen. Der Stahlformguss ist daher entweder Tiegel-Gussstahl (vergl.
unter k) oder Flammofen-Gussstahl (Martin-Gussstahl). Der Tiegel-Gussstahl
entwickelt beim Giessen am wenigsten Gase, zeichnet sich also vor allen andern
Flussstahl-Sorten durch seine Dichtigkeit aus.
Fig. 112.
1) Stöckmann. Ueber Gaseinschlüsse im Stahl. Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ingen. 1884,
S. 374.
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