8 Allgemeine Geschichte des Eisens und der eisernen Tragwerke.
Ihre aus Wahrheit und Dichtung gewebten Blätter geben uns nur die Gewiss-
heit, dass alle alten Kulturvölker ihre Kenntniss vom Gebrauche des Eisens
durch unmittelbare Eingebung von einer Gottheit oder durch fabelhafte Personen
erhalten haben wollen, dass demnach diese Kenntniss älter als die Geschichte
ist. Sowohl die Namen der ersten Entdecker, als auch die ältesten Stätten
ihrer Wirksamkeit hüllen sich danach in vorgeschichtliches Dunkel. Die
Wissenschaft ist eifrig bemüht, das Dunkel zu lichten. Die Sagen und Mythen
der Alten, die vergleichende Sprachforschung, die Anthropologie, vornehmlich
aber die in allen Theilen der Welt an’s Tageslicht geförderten Ueberreste
menschlicher Arbeit in Gestalt von Waffen, Geräthen und Inschriften geben
dazu treffliche Mittel an die Hand.
1. Das orientalische Alterthum.
Litteratur.
Mehrtens. Das Eisen im orientalischen Alterthum. Wochenbl. f. Bauk. 1884. — D er-
selbe. Das Eisen im Alterthum. Stahl und Eisen 1887. — Frantz. Eisen und Stahl im
Alterthum. Berg- u. hüttenmännische Ztg. 1882, S..178.
a. Aegypten.
Lange Zeit haben die Archäologen unter den gewaltigen Ueberresten der
Kunst im Lande der Pharaonen vergebens nach einer Spur des gemeinsten der
Metalle, des Eisens gesucht. Es fanden sich wohl kleinere Gegenstände aus Eisen,
welche aus der Periode des neuen Reiches, dessen Beginn von der Ver-
treibung der Hyksos (um 1700 v. Chr.) ab rechnet, stammen; doch wurde
nur ein einziges Stück entdeckt, dessen Alter höher hinauf reichte. Es ist dies
das Bruchstück eines grössern Werkzeugs, das der Engländer Hill am 26. Mai
1837 beim Lossprengen einiger Steinlagen von der grossen Pyramide des
Cheops in einer inneren Steinfuge derselben vorfand. Das merkwürdige Stück,
Fig. 2, heute eins der grössten Seltenheiten der Sammlungen des britischen
Museums, besässe sonach ein Alter von etwa 5000 Jahren.
Fig. 2 Wegen des Man-
2 gels an eisernen
Fundstücken, der
bei der bekannten
Vergänglichkeit
des Eisens nicht
Wunder nehmen
dürfte, und auch
wegen fehlender
Bestätigung inden
Schriften der Al-
ten haben die Ge-
a Obere. Arisicht ng, lehrten eine frühe
Bekanntschaft der
Aegypter mit dem Eisen lange Zeit nicht zugeben wollen. Eine mächtige Stütze
für die Zweifler bildete dabei der Inhalt der ersten 4 Bücher Mosis, der, so
weit die Schicksale und Drangsale der Juden in Aegypten bis zum Zuge durch
das Rothe Meer in Frage kommen, nirgends auf ein Vorhandensein von Eisen
in jener früheren Periode der ägyptischen Geschichte hindeutet.
Alle Zweifel von einer frühen Bekanntschaft der Aegypter mit dem Eisen
müssen aber schwinden, wenn man die wunderbaren Denkmäler aus den 3 Glanz-
perioden ihres Reiches, aus den Zeiten der 4., 5., 12. und 18. Dynastie, ins-
besondere die uns darin gegebenen Aufschlüsse über Einzelnheiten der ge-
werblichen und technischen Kunstfertigkeiten an der Hand der neuesten Auf-
deckungen betrachtet. In den thebanischen Monumenten und Gräbern unweit
Memphis, die über 4000 Jahre alt sind, sieht man Schlächter abgebildet, die
ihre Messer an einem runden Metallstück schärfen, das an ihrer Schürze be-
festigt ist. Das Metallstück ist mit blauer Farbe dargestellt. Daraus darf man
schliessen, dass es Eisen war, weil in allen andern Darstellungen, die sich in
den Gräbern der 4. und 5. Dynastie finden; gewisse charakteristische Gegen-