Technische Bedingungen für die Herstellung von Konstruktionen usw. 359
b. Vorschritften der Dampfkessel-Ueberwachungs-Vereine. Zugleich
Vorschläge des Vereins deutscher Eisenhüttenleute.!)
I. Art der Proben.
Zur Erkennung der Brauchbarkeit der drei aus Schweisseisen gefertigten hauptsächlichen Ma-
terialien zum Bau von Dampfkesseln sind folgende Proben auszuführen:
a) für Bleche: b) für L-Eisen:
1. Zerreiss- und Dehnungsprobe, 1. Zerreiss- und Dehnungsprobe,
2. Biegeprobe, 2. Biegeprobe,
3. Schmiede- und Lochprobe; 3. Schmiede- und Lochprobe;
e) für Nieteisen:
1. Zerreiss- und Dehnungsprobe,
2. Biege- und Schmiedeprobe.
ll. Prüfungs-Maschinen.
Prüfungsmaschinen bestimmter Bauart werden nicht vorgeschrieben, für deren Brauchbarkeit und
Anwendung jedoch die Grundsätze aufgestellt:
1) dass bei allen Zerreiss-, Dehnungs- und Biegeproben die Belastung des Probestückes nicht
stossweise, sondern stetig und langsam geschehe und die Inanspruchnahme durch immer kleinere
Belastungen erfolge, je näher die Beendigung der Probe bevor steht;
9. dass die Maschinen leicht auf ihre Richtigkeit geprüft werden können und thatsächlich oft
geprüft werden müssen.
Ill. Zurichtung der Probestücke.
Die Vorbereitung der Probestreifen hat nach folgenden Grundsätzen zu geschehen:
a) die Probestreifen, welche zerrissen, ausgedehnt und gebogen werden sollen, sind sämmtlich
warm grade zu richten und vorsichtig auszuglühen;
b) nicht makellose Streifen dürfen nicht genommen werden;
c) die Messung der Dicke der Platten erfolgt mittels der Mikrometer-Schraube;
d) die Probenstreifen sind etwa 400 mm ]Jang und so breit zu nehmen, dass sie im rohen Zu-
stande mindestens 50 mm breit sind;
e) die Streifen zu allen Prüfungen: müssen an den Kanten mittels Maschine oder von Hand
derart bearbeitet werden, dass die Wirkung des Scherenschnittes, Auslochens oder Aushauens zuver-
lässig beseitigt ist. Die Flächen bleiben unbearbeitet;
f) die Streifen zu Zerreiss- und Dehnungsproben sind in einer Länge von 150 mm — die
Vorschläge des Vereins deutscher Eisenhüttenleute gestatten eine Länge des Zerreisstheils bis 200 mm
— auf den Kanten sauber zu bearbeiten und so breit zu belassen, dass der zur Zerreissung vorbereitete
Querschnitt mindestens 300 qmm, höchstens 600 qmm beträgt;
g) Streifen zu Biegeproben müssen an den Kanten etwas abgerundet sein, dürfen jedoch über
den zur Biegung angewendeten Dorn in der Breite nicht hervor ragen.
Auf der Biegungsstelle ist der Hammerschlag durch Abkratzen zu entfernen.
IV. Grundsätze bei Abnahme des Eisens.
Für die Abnahme des Eisens sind folgende Grundsätze zu berücksichtigen:
a) Zur Gewinnung von Probestücken werden die Ausschnitte für Dom, Stutzen, Mannlöcher,
Flammrohre usw. benutzt; ferner ist jedes Feuertafelblech in Längs- und Querrichtung 50 mm breiter
zu bestellen, ebenso einige Mantelplatten. Ausserdem empfiehlt es sich bei grösseren Lieferungen für jedeu
Kessel eine Mantelplatte mehr als nöthig zu bestellen, damit aus der für einen Kessel bestimmten Zahl
von Mantelplatten eine beliebige Platte ‚ausgewählt und zur Gewinnung von Probestreifen verwendet
werden kann.
b) Finden sich nach dem Zerreissen oder Biegen anscheinend guter Probestücke Fehlstellen
in Folge mangelhafter Schweissung, so werden die Prüfungs-Ergebnisse aus solchen Stücken bei der
Entscheidung über die Erfüllung der Lieferungs-Bedingungen nicht berücksichtigt.
c) Die Zerreiss-Festigkeit wird für Lang- und Querfaser nach dem Bruchgewichte in kg
für 1 qmm angegeben. Die Ausdehnung in der Länge des Probestreifens wird bei Lang- und Quer-
faser ermittelt; und zwar wird die prozentualische Ausdehnung des Streifens zwischen der mittels Körner-
punkten festgesetzten Länge von 150 mm beim Bruchgewichte angegeben.
d) Die Zulässigkeit des Eisens bezw. die Erfüllung der Normal-Ansprüche wird durch eine Güte-
oder Werth-Ziffer ausgedrückt, welche aus der Addition der Zerreiss-Festigkeit in kg und der Deh-
nung in Prozenten entsteht. Jede Ziffer der Festigkeit und Dehnuug darf um die Zahl 1 kleiner sein,
als die betreffende Normalziffer, wenn die zugehör andere Ziffer so viel grösser ist, dass ihre Summe
wenigstens die normale Werthziffer ergiebt.
b1 e) der Biegungswinkel wird in Graden angegeben. Der Streifen gilt als gebrochen, wenn
sich auf der konvexen Seite in der Mitte der Biegungsstelle ein deutlicher Bruch im metallischen
Eisen zeigt.
f) Bei der warmen Biegeprobe sind die Stücke um eine gebrochene Kante zu biegen und
zwar in kirschrothem Zustande. Das Eisen darf nicht brechen, reissen oder ausfransen.
Bei der kalten Biegeprobe werden die Streifen um einen Dorn von 26 mm Durchmesser
gebogen.
g) Die Bleche und [| -Eisen müssen bei vollkommener Schweissung frei von Walz-
fehlern sein und eine glatte Oberfläche haben.
h) Bei der Abnahme der Blechtafeln und L_-Eisen wird eine Abweichung von dem
rechnungsmässigen Gewichte von 3 %, weniger oder mehr gestattet. Diese Abweichung ist
nicht auf jede einzelne Tafel, sondern auf eine ganze Lieferung bezw. Theillieferung zu beziehen.
1) Die Grundsätze und Anleitung für die Untersuchungen von Dampfkesseln und Dampfmaschinen
zur Ermittelung ihrer Leistungen, aufgestellt vom Verein deutscher Ingen. u. d. Verb. d. Dampfkessel-
Ueberwachungs-Vereine; s. Protokoll der 13. Delegirten- u. Ingen.-Versammlung in Brüssel, 1884, 5. 44
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