52 Allgemeine Geschichte des Eisens und der eisernen Tragwerke.
bahnen wenig aufgeschlossenen Gegenden, in der Stille „des einsamen Wald-
thals“ geübt, am meisten in Schweden, woselbst es heute sogar noch das herr-
schende Frischverfahren ist!), weit weniger in Deutschland, Oesterreich und
Frankreich, in England nur noch zu einzelnen bestimmten Zwecken. Auch
in manchen waldreichen Gegenden Russlands und Nordamerikas, besonders
solchen, in denen es an mineralischer Kohle fehlt, wird das Herdfrischen noch
vereinzelt geübt.
Die Schweisseisen-Erzeugung in Puddelöfen stand bis zur Zeit
der Einführung des Bessemer-Metalls im Vordergrunde des Eisenhüttenwesens.
Der Puddelofen hat, neben dem eisernen Boden und dem Schlackenherde (8. 35)
nach und nach noch andere wesentlich bessernde Zuthaten erhalten; dieselben
beziehen sich auf die Kühlung der Herdwände und Vervollkommnung der
Feuerungs - Anlagen.
Weitere Bestrebungen, nämlich die, mehr körperliche Kraft als Geschick-
lichkeit erfordernde Arbeit des Rührens durch mechanische Mittel zu bewirken,
indem man die Handarbeit durch maschinelle Vorrichtungen genau nachzuahmen,
oder das Puddeln durch eine Drehung des Herdes zu ersetzen sucht, haben
bis heute einen durchschlagenden Erfolg nicht erzielt.
Schafhäutl benutzte 1836 zuerst eine durch Dampfkraft bewegte Rühr-
stange; nach ihm haben viele Andere von ähnlichen Vorrichtungen Gebrauch
gemacht.
Den ersten drehbaren Heerd richtete Oestlund in Schweden im Jahre 1859
auf dem Eisenwerke zu Finspong ein.
Menelaus in Dowlais setzte einen Ofen mit einem sich drehenden Zylinder
in Betrieb, welcher durch den Amerikaner Danks vervollkommnet wurde, in-
dem es diesem gelang, ein dauerhaftes Ofenfutter aus kieselsäurearmem Eisen-
erz und Kalk und auch aus Eisenerz allein, herzustellen. Ungeachtet aller ge-
nannten Verbesserungen und anderer, welche sich bis in die neueste Zeit er-
strecken?) konnte die Schweisseisen-Erzeugung im Puddelofen neben dem Bessemer-
Verfahren nur so lange noch auf der Höhe bleiben bis die Entphosphorung
des Eisens in der Bessemer-Birne gelungen war. Fortan entspann sich der
Kampf zwischen Schweisseisen und Flusseisen, welcher gegenwärtig noch nicht
entschieden, aber voraussichtlich zu gunsten des Flusseisens enden wird3) Es
herrscht zwar zur Zeit, hervor gerufen durch mannigfache, berechtigte Klagen
über Ungleichmässigkeit des gelieferten Materials, noch ein starkes Misstrauen
gegen das Flussmetall; doch wird dasselbe sicher rascher schwinden als die
Vorurtheile, die man vor 50 Jahren, nach Erfindung des Puddel-Verfahrens und
der Einführung des Walzeisens, bei uns lange Zeit gegen das gepuddelte und
gewalzte Eisen — gegenüber dem auf dem Herde gefrischten und unter Hämmern
geschmiedeten — zur Schau trug.
England und Frankreich gingen in der Verwendung des Fluss-Metalls zu
mancherlei Tragwerken, insbesondere für den Schiffsbau®), voran. Im Jahre 1859
versuchte man, zuerst in England, die Verwendung von Flussstahl zu den
tümpfen der Handelsschiffe. Für die Rümpfe von Kriegsschiffen kam
Flussstahl zuerst 1874 in Frankreich zur Anwendung (für das Panzerschift
le Redoutable). Anch in Amerika,?) Deutschland und Oesterreich ist der Verbrauch
von Flusseisen, namentlich für Eisenbahn-Zwecke, z. B. für Schienen, Schwellen,
Wagenachsen und Radreifen, in lebhafter Zunahme begriffen. Aus der
beigefügten bildlichen Darstellung der Gewinnung des schmiedbaren Eisens
Fig. 53, — Schmiedeisen und Stahl — in Preussen innerhalb des Zeitraums
vom Jahre 1837 bis Ende 1885, ist zu entnehmen, dass die Menge des erzeug-
) v. Ehrenwerth. Neuere Fortschritte auf dem Gebiete der Herdfrischerei, insbeson-
dere G. A. Forsberg’s dreiformiger Herd, genannt Schwedischer Herd. Stahl und Eisen
1886, S. 314. —
2) Puddelofen von Küpper. Stahl und Eisen 1886, 8. 362.
3) v. Junker, Ueber das Fortschreiten und Zurückweichen des Puddel-Prozesses. Oester.
Zuschr. f. Berg- u. Hüttenw. 1886, No. 31.
ä 4) Perisse. De l’emploi de l’acier dans les constructions navales, civiles et mechaniques. 1884.
18.
5) Kreuzpointner. Flusseisen für Dampfkessel. Stahl und Eisen 1886, S. 647.