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Binnenschiffahrt. 299
Kettenschiffahrt ist in Deutschland bisher eingeführt auf der Elbe!), auf
einigen ihrer Nebenflüsse, ferner auf dem Neckar und dem Main, — Seilschiff-
fahrt in beschränkter Ausdehnung auf dem Rhein.
Bei Wassertiefen von über 3m wird die Ketten- und Seilschiffahrt wegen
der Schwierigkeit des Aufhebens der Kette unrentabel, um so mehr, wenn in-
folge der grösseren Breite des Wasserlaufs Seitenwinde ihren ungünstigen
Einfluss geltend machen können. Auf dem Rhein, woselbst das Seil von
Bingen bis Rotterdam verlegt ist, ist der Betrieb auf der unteren Flussstrecke
eingestellt und fahren die Schlepper — daselbst „Hexen“ genannt — nur noch
auf der Gebirgsstrecke von Bonn bis Bingen. Auch auf der Elbe, woselbst die
Kettenschiffahrt in den siebziger Jahren fast den ganzen Bergverkehr vermittelte,
ist auf den unteren Flussstrecken den Kettenfahrern in den frei fahrenden
Schleppdampfern ein starker Konkurrent entstanden.
In der Ueberwindung grosser Gefälle sind die Ketten- und Seilschlepper
den frei fahrenden Dampfern sehr überlegen, einerseits, weil sie eine geringere
Wassertiefe vertragen, sodann weil sie im Vergleich mit jenen um so vortheil-
hafter arbeiten, je grösser die Stromgeschwindigkeit ist. Während der Ketten-
schlepper bei einer Umdrehung der Trommel einen Weg zurück legt, welcher
dem Trommelumfang nahezu gleich kommt, wird der Raddampfer je nach der
relativen Geschw. von Wasser und Schiff, nur mit einem Bruchtheil der geringen
Geschw. vorwärts kommen, mit der sich seine Radschaufeln bewegen.
Auf kanalisirten Flussstrecken und auf Kanälen kann eine erfolgreiche An-
wendung der Ketten- und Seilschiffahrt nur da in Frage kommen, wo lange
Haltungen und Schleusen mit grossen Kammern, welche die gleichzeitige Durch-
schleusung eines ganzen Schleppzuges gestatten, vorhanden sind; doch ist die
Durchschleusung auch jedes einzelnen Fahrzeugs vom Anhange möglich. Die
Kette wird in der Schleuse nicht unterbrochen.
Auf dem Erie-Kanal hat sich die Kabeltauerei als unzweckmässig erwiesen
und werden daselbst jetzt neben den gewöhnlichen von Maulthieren gezogenen
Kähnen mit Erfolg 2 zusammen gekuppelte Kanalboote, von denen das hıntere
mit Schraube und Dampfmaschine versehen ist, angewandt.?)
f. Kosten der Binnenschiffahrt.
Damit die Binnenschiffahrt im Stande sei, billiger zu transportiren als die
Eisenbahn, müssen die Wasserstrassen genügende Weasserquerschnitte und
mässiges Gefälle besitzen, ferner in Gegenden liegen, wo die unvermeidlichen
Unterbrechungen der Schiffahrt durch Frost in mässigen Grenzen sich halten,
müssen bei künstlichen Wasserstrassen die Herstellungskosten zu dem zu er-
wartenden Verkehr im Verhältniss stehen?), sowie schliesslich die Schiffsgefässe
gross und die Betriebs-Einrichtungen möglichst vollkommen sein.
Als Beispiel mögen die Frachtsätze auf einigen besonders verkehrsreichen
Wasserstrassen im Vergleich mit denjenigen auf den nebenher laufenden Eisen-
bahnen angeführt werden.?)
Auf der Elbe betrugen die Frachtsätze für das Tonnenkilometer im
Jahre 1884 bergwärts 1,10 bis 1,70, thalwärts 0,60 bis 1,00 Pfennig, auf dem
Rhein im Jahre 1885 bergwärts 0,55 bis 0,65 und thalwärts 0,40 bis 0,80 Pfg.
Diesen Frachtsätzen stehen folgende Eisenbahn-Frachtsätze gegenüber: An der
Elbe bergwärts 2,45 bis 6,30 und thalwärts 2,50 bis 4,70, am Rhein bergwärts
2,44 bis 2,86 und thalwärts 2,44 bis 2,79 Pfennig für diejenigen Güter,
welche bei der Wasserfracht überhaupt in Frage kommen. Im Kohlenverkehr
zwischen Nordfrankreich und Paris beträgt der Frachtsatz auf dem Wasserwege
(Kanäle und kanalisirte Flussläufe, auf denen die Fahrzeuge von 200 bis 300 t
1) In Deutschland fuhr der erste Kettendampfer im Jahre 1866 auf der Elbe zwischen
Buckau und Magdeburg.
2) Zentralbl. d. Bauverwaltg. 1884 S. 357 und über Jaquels Kanal-Dampfschiff daselbst S. 156.
3 Vergl. Deutsche Bauzeitg. 1889, S. 408.
*#) Sympher, „Ueber die wirthschaftliche Bedeutung der Binnen-Wasserstrassen“ und
„Transportkosten auf Eisenbahnen und Kanälen.“