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Beziehungen zwischen Bahn und Strasse. 133
Unterhaltung von Gleisen und Strassen bleibt entweder in eigener Ver-
waltung der Gemeinde als Eigenthümerin, oder wird ebenfalls — sei es ganz,
sei es theilweise — verpachtet. Nach diesen Verfahren erscheint eine Strassen-
bahn nicht wesentlich anders als eine Strasse, auf welcher Omnibus fahren.
Das Netz wird von Seiten der Gemeinde planmässig, nach Bedürfniss mehr und
mehr ausgebaut, indem sie überhaupt den öffentlichen Verkehr zu fördern hat.
Freilich wird sie dieser Obliegenheit vielleicht nicht so früh und thatkräftig
nachkommen, wie ein Privatunternehmer, weil für sie jedes Risiko schwerer
fällt. Es bleibt aber dann immer noch das Verfahren zu c möglich und werden
überhaupt bei einer einsichtigen Verwaltung im Strassenbahnwesen ganz ähn-
liche Erwägungen Platz greifen, wie zwischen remeindestrassen und Privatstrassen.
Die geschilderte Methode dürfte das Ziel der Zukuft bilden: wie der Staat
die grossen Verkehrsmittel an sich genommen hat, so sollte die Gemeinde die
lokalen Verkehrsmittel verwalten, dann könnten alle sozialen Rücksichten,
namentlich bei der Wohnungsfrage zu voller Geltung kommen.!)
Angesichts der geschilderten grossen Verschiedenheit in der Belastung
einer Strassenbahn mit Nebenpflichten fallen natürlich auch die Baukosten und
Unterhaltungskosten sehr mannigfaltig aus. Wir nehmen als Massstab für die
Baukosten das Meter Gleislänge (im Sinne von E II2), mit welcher ungefähr
die Kosten der Strassenbefestigung, der Stationsanlagen und Betriebsmittel
proportional gehen. Bei den deutschen Strassenbahn - Gesellschaften hat diese
Einheit zwischen 60 und 160 M. gekostet, in Frankreich und England z. Th.
bis zu 250 M, in Folge höherer Gründungs- und Verwaltungs-Kosten.?) Umge- .
kehrt sind Bahnen auf vorstädtischen und Landstrassen, wo für Strassen-
befestigung wenig verlangt wurde, schon erheblich billiger hergestellt worden.
Der Preis für 1 m Gleis sinkt, wenn solche Strecken einzeln gebaut, bez.
berechnet werden, bis auf ca. 30 M.
Wählt man als Massstab. die Bahnlänge, so stellt sich der durchschnitt-
liche Kostenaufwand für 1 km in:
Deutschland 126 M. Berlin 218 M.
Oesterreich 222. Wien 192 „
England 182, London 356 „
Frankreich 196° Paris 294 „
Man rechnet in England von dem ganzen Baukapital 1/, auf die Gleis-
konstruktion incl. Weichen und. Strassenbefestigung, 1/; auf Betriebsmaterial,
1/,, auf Hochbauten mit Grunderwerb, 1/; auf Gründungs- und Verwaltungs-
kosten.
Für Instandhaltung der gesammten Bahnanlage, einschliesslich Reinigung
der Gleise und der obliegenden Pflaster-Unterhaltung, geben die deutschen
Strassenbahn - Gesellschaften für 1 m Gleis und 1 Jahr zwischen 0,8 und
2,8 M. aus. Dieser Posten schwankt naturgemäss stark, weil die Bahnen viel-
fach mangelhaft gebaut und noch nicht in einen Beharrungszustand eingetreten
sind, auch Kanalisations-Arbeiten u. dgl. unregelmässige Störungen verursachen,
X. Wagen.
Die Wagen von Strassenbahnen haben sich in ihrem Bau mehr und mehr
demjenigen von selbständigen Eisenbahnen genähert; eine scharfe Grenze
zwischen beiden Gattungen besteht nicht mehr, ist vielmehr bei Sekundärbahnen
und Landstrassenbahnen verwischt. Im allgemeinen gestattet jedoch die geringere
Geschwindigkeit und Zugkraft leichtere Konstruktionen und wird hier mit
Rücksicht auf die theure Betriebskrafı von Pferden besonders sorgfältig das
Eigengewicht der Wagen zu vermindern gesucht. Als Grundsätze der Kon-
struktion gelten jetzt: Symmetrie nach vorn und hinten, auch hinsichtlich der
Hülfsvorrichtungen zum Bremsen, Beleuchten usw.®) Achsen mit festen Rädern,
1) Vgl. Hilse, Verstadtlichung der Strassenbahnen, 1888.
2) Vebrigens scheint auch bei den betreffenden statistischen Angaben zuweilen „Bahn-
länge“ und „Gleislänge“ verwechselt zu sein, was bei zweigleisigen Bahnen Verwirrung ergiebt.
8) Bei Wagen, welche mittelst Schlingen (E VIII, 3) stets in derselben Richtung fahren,
können die beiden Enden auch unsymmetrisch sein, das vordere blos für den Kutscher, das
hintere zum Einsteigen (Amerika).