Full text: Städtisches Strassenwesen und Städtereinigung (Abtheilung 3, 3. Heft)

  
  
  
  
  
  
  
  
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Menge und Beschaffenheit der Exkremente. 189 
wegen in die Kanäle beförderte-Exkrementen-Menge ist, hängt natürlich von 
Ordnungssinn und Gewohnheit der Bevölkerung, sowie von den dargebotenen 
Gelegenheiten ab und wird demnach sehr verschieden geschätzt. Die Hoffnung 
Liernur’s, dass solches gar nicht mehr stattfinden werde, wenn seine pneu- 
matischen Röhren alle Klosets, Pissoirs usw. bedienen, wird wohl ebenso sehr 
zu günstig sein, als die Meinung Fischer’s, dass 2/, des Harns den Kanälen 
zugehen, der Bevölkerung im allgemeinen ein zu schlechtes Zeugniss aus- 
stellt. Letzteres passt allerdings in Kopenhagen, wo auf die Tonnenabfuhr nur 
100%g für 1 Kopf und Jahr entfallen sollen. Nehmen wir bei geordneter 
Lebensweise an, dass aller Koth und ®/, des Harns die Abtritte passiren, so 
müsste ein System zur gesonderten Entfernung derselben mit einer Menge 
von 340kg für 1 Kopf und Jahr rechnen, welche Zahl z. B. durch das Tonnen- 
system in Heidelberg bestätigt wird. 
Umgekehrt schlägt aber auch unter der Annahme gesonderter Methoden 
ein Theil des Brauchwassers den unrichtigen Weg ein, nämlich den für 
die Exkremente bestimmten. Denn es giebt Wohnungen der ärmeren Klassen, 
welche einen eigenen Ausguss für das Brauchwasser entbehren, daher auf den 
Abtritt angewiesen sind; es werden ferner in den Abtritten Nachttöpfe gereinigt, 
gelegentlich auch andere Gefässe aus Bequemlichkeit entleert; ganz besonders 
aber gehört dahin Spülwasser für die Abtritte selbst, sei es von Hand verwen- 
det, sei es'in Form von Wasserklosets. Der Verbrauch der letzteren beträgt 
laut besonderer Ermittelungen für 1 Kopf und Tag in deutschen Städten zwischen 
5 und 201 (Bericht einer Kommission des Vereins von Gas- und Wasserfach- 
männern 1884), speziell in Danzig 5—6, Zürich 7—9, Karlsruher Krankenhaus 
12, in England oft 10—14.1) Bei zweckmässigen Vorkehrungen gegen Wasser- 
vergeudung dürften 5—61 genügen. Aber auch abgesehen von Wasserklosets 
muss darauf gerechnet werden, dass gewisse Mengen von Spülwasser stets die 
Abtritte passiren. So ergeben die Erfahrungen von Stuttgart, Karlsruhe, Wies- 
baden (bei gewöhnlichen Gruben) das abgefahrene Gewicht zu 460500 kg, in 
Strassburg 570—600 kg, also durchschnittlich 500ks für 1 Kopf und Jahr, d. i. 
zu der wahrscheinlichen Exkrementen-Menge von 340ks etwa die Hälfte an 
Wasser-Zuschuss. Der Stickstoffgehalt müsste demnach von 10/, auf etwa 0,7 °/o 
gesunken sein. Im ganzen wird dies durch die Analysen des frischen Inhalts 
von Tonnen und pneumatischen Röhren, so lange in diesen noch keine über- 
mässige Verdünnung stattfand (C III) bestätigt. Sie zeigen 5—90/, feste Stoffe, 
darunter 0,40—0,84 %/, Stickstoff. Dabei ist der Zusatz von Papier zu beachten, 
welchen die Analyse mit einschliesst. 
Die Beschaffenheit menschlicher Exkremente ändert sich schon im Laufe 
eines Tages merklich und von da an bei längerer Aufbewahrung rasch. Es 
entsteht binnen 24 Stunden über 1 pro mille des Gewichtes an gefährlichen 
Gasen, als Kohlensäure, Kohlenwasserstoffe, Ammoniak, wogegen Sauerstoff aus 
der Luft aufgenommen wird, also kombinirte Fäulniss und Oxydation (vergl. 
C VI). Nach 10 Wochen entstehen noch fast ebenso viele Zersetzungsgase 
wie Anfangs. Die zahlreichen Analysen der faulenden Flüssigkeit „Jauche* 
in Abtrittgruben und städtischen Sammelgruben weichen stark von einander ab, 
weil sie in verschiedenen Stadien der Zersetzung angestellt worden sind. Die 
Grenzen betragen für den Gehalt an festen Stoffen überhaupt rd. 2—6/,, an 
Stickstoff 0,24—0,66 0/5, im Durchschnitt 0,4 %/,.?) 
Dem parallel geht die medizinische Wirkung, deutlich zu erkennen an den 
Einspritzungen ins Blut, welche Dr. Emmerich an Thieren vorgenommen hat.) 
Harn in frischem Zustande, welcher keine Bakterien enthält, schadete nicht; 
  
1) Damit erweist sich auch die nicht selten gehörte Behauptung falsch, dass der Wasser- 
verbrauch in Städten mit Wasserklosets erheblich grösser sei, als in solchen mit auderen 
Abtritteinrichtungen. Er steigert sich nur um wenige Prozent. Wo es etwa mehr waren, ist 
es der allgemeinen Steigerung der Reinlichkeit zuzuschreiben, welehe ja auch ausserhalb 
der Abtritte nur willkommen sein kann. 
2) Noch weitere Grenzen sollen namentlich in Paris vorkommen, wo in Gruben unter ge- 
wöhnlichen Abtritten bis zu 0,9%,, unter Wasserklosets nur 0,1°/, 2), als Durchschnitt der ganzen 
Stadt 0,350), Stickstoff gefunden wurde. Gesundheits-Ingenieur 1883, S. 201. 
8) Zeitschrift für Biologie 1878, S. 568. Vierteljahrschrift für öffentl, Gesundheitspflege 
1880, S, 303. 
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