8 Einleitung.
theuren Baugrund des Stadtinnern die Wohnungsfrage nicht lösen. Daher
nehme man auch gute Miethkasernen (unter Abstellung der ärgsten Uebelstände)
in Aussicht, bei welchen der Grunderwerb nur 5—10°/, der Baukosten betragen
mag, während er im Einzelhause leicht 20—40/, erreicht. Ueberdies bleiben
Miethhäuser für den fluktuirenden Theil der Bevölkerung stets Bedürfniss.
Indem der Schwerpunkt der Wohnungsfrage in der Anzahl und Beschaffen-
heit der Wohnungen für die ärmern, für die „arbeitenden“ Klassen liegt
sollen hier ferner noch Angaben folgen über die Statistik der „kleinen“ und
der „übervölkerten“ Wohnungen. Als „kleine“ Wohnungen geltenallediejenigenmit
keinem, einem oder zwei heizbaren Zimmern. „Uebervölkert“ heissen solche
Wohnungen, welche bei einem Zimmer 6 und mehr Bewohner, bei zwei Zimmern
10 und mehr Bewohner enthalten; sie finden sich fast ausschliesslich in der
Klasse der Wohnungen mit einem heizbaren Zimmer, indem grössere Woh-
nungen relativ schwächer besetzt sind.
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wi. Le
: Ss Brno = ee
Von 100 Einwohnern = | = | Ele S | Re 135
lebten i. J. 1880 ea
in Wohnungen ohne heizbare Zimmer rd 40,0 | 0/0
a mit 1 heizbarem Zimmer 43 | 32 | 80 | 45 | 21 | 17 | 49
. ». 2 heizbaren Zimmera [27.28 21 2026 19 | 10
zusammen in „kleinen“ Wohnungen 70 | 60 | 72 | 65 | 47 | 36 | 59
„ in „übervölkerten“ Wohnungen 14 | ıl |19/115| 9 hr
Durchschnittliche Zahl der Bewohner | | | | |
in jeder „kleinen“ Wohnung 4,0. 4,0, 4.0,.3,8: 4,4 39 4,5
" » „übervölkerten“ Wohnung 1078| 25| 72] Gr
Viel trägt zur Aufrechthaltung von Wohnungszuständen, sowohl von guten
als von schlechten, die Sitte bei. Sie hat z. B, ohne äussern Zwang in Nord-
westdeutschland, Holland und England das Wohnen in Familienhäusern üblich
erhalten. In vornehmen Bezirken mag es ja auch rein finanziell sich lohnen,
Einzelhäuser und Villen zu errichten. Im allgemeinen aber betreiben geschäfts-
mässige Häuser-Erbauer bei kleinen und mittlern Wohnungen die Dichtigkeit
so hoch, wie es ihnen unter der geltenden Bauordnung möglich ist; bis vor
kurzem waren sie durch gesundheitliche Vorschriften auch wen'g gehindert,
einträgliche Miethskasernen von grosser Höhe mit engem Hof herzustellen.
Nun stehen aber bei lebhafter baulicher Entwickelung einer Stadt Boden-
preis und Wohnsystem in Wechselwirkung. Der höchste polizeilich zulässige
Grad der Ausnützung des Grundeigenthums bestimmt dessen Preis, und wo der-
selbe hoch steht, kann ein Geschäftsmann oder ein Privatmann von mässigem
Wohlstande, welcher nach einem eignen Hause strebt, nicht mehr anders, als
möglichst intensiv bauen. Dies zeigt sich zunächst am Umfange der anwachsenden
Stadt, und setztsich nach aussen fort; der Bodenwerth nimmt gar nicht im natür-
lichen Verhältniss mit der Entfernung vom Stadtkerne ab (hohe Miethhäuser
rings um Berlin), und mag erst in entlegenen Vororten mässig genug für
Familienhäuser sein. Umgekehrt sml in Eng and zufolge der Gewohnheit,
weiträumiger zu bauen, selbst die Arbeiterwohnungen (abgesehen vom Innern
Londons) billiger als in den grossen und in vielen mittlern Städten des Kon-
tinents.
Es liegt daher auss:r an der Sitte wesentlich an der Baupolizei, unge-
sunden Wohnsystemen vorzubeugen. Wo die Möglichkeit zu.solchen nicht be-
steht, wo mehr Weiträumigkeit vorgeschrieben ist, wird ein übermässiges
Steigen des Grundpreises in der Umgebung der Stadt gehemmt und die Her-
stellung von Neubauten bis zu einem gewissen Grade keineswegs vertheuert.
Es wäre jedoch fehlerhaft, auf diesem Gebiet alle Theile einer Stadt gleich
zu behandeln. Denn will man einheitliche Vorschriften und richtet dieselben
nach der bisherigen dichten Bebauung und dem hohen Bodenwerth im Innern