Full text: Städtisches Strassenwesen und Städtereinigung (Abtheilung 3, 3. Heft)

  
  
198 Exkremente. 
Weimar 20 Pf., bei „mehrfachen Tonnen“ je 15, in Görlitz 17, in Bergen 45 Pf. 
Berechnet man die Gebühren, zusammt den etwaigen Zuschüssen der Gemeinde, 
so ergiebt sich eine Belastung der Bevölkerung, welche in einer Reihe von 
Städten zwischen 1,5 und 2,5 % für den Kopf und Jahr liegt. Indem mit 
Wasserzuschuss für 1 Kopf und Jahr etwa 500ks entfallen (C 1), kann das 
Doppelte dieser Zahlen als Aufwand für 1cbm angenommen werden. 
Obgleich im allgemeinen das Geschäft vortheilhafter betrieben werden 
kann, wenn die Zahl der Tonnen wächst, so entstehen doch über einen gewissen 
Umfang hinaus Verlängerungen der Transporte, Schwierigkeiten in der unum- 
gänglichen Kontrole über die Abfuhrtermine, Beengungen des Strassenverkehrs. 
Ziemlich allgemein sieht man das Tonnensystem als vortrefflich bei mässigem 
Umfang an, aber als ungeeignet für grosse Städte. Die englischen Städte 
Manchester und Rochdale können diese Ansicht nicht umstossen, weil dort die 
Abtritte meist in den Höfen liegen und ohne Betreten der Häuser durch Hinter- 
gassen zugänglich sind, auch längere Abfuhrtermine haben. Und die deutschen 
Städte, welche als Repräsentanten des Tonnensystems genannt werden, besitzen 
dasselbe jeweils nur in einem Bruchtheil ihrer Häuser (Heidelberg 1886 für 
3000 Einw.). In beträchtlichem Umfang finden wir das Tonnensystem nur in 
Graz, aber keineswegs mustergültig.!). Nürnberg ist wieder davon abgegangen. 
IN. Transport durch pneumatische Röhren. 
Die Nachtheile der langen Aufspeicherung in Gruben und des umständ- 
lichen Fuhrwesens von Tonnen haben Liernur veranlasst, die Exkremente 
durch ein unterirdisches Röhrennetz zu entfernen, wobei als bewegende Kraft 
der Luftdruck, also dieselbe Kraft, wie bei der pneumatischen Entleerung 
von Gruben, benutzt wird. 
An einer geeigneten, wo möglich tief gelegenen, Stelle vor der Stadt be- 
findet sich ein „Zentralreservoir*, von welchem „Magistralröhren“ nach einer 
Anzahl von „Bezirksreservoirs“ führen. Letztere sind über die ganze Fläche 
der Stadt so vertheilt, dass jedes einen, von den andern abgesonderten, Bezirk 
bedient. Zu letzterem Zweck gehen von jedem Zwischenreservoir „Strassen- 
röhren“ mit todten Enden aus und senden ihrerseits wieder „Hausröhren“ zu 
den einzelnen Häusern bezw. Abtrittsfallröhren. Die Grösse der Bezirke wird 
so gewählt, dass eine Strassenröhre bis etwa 300m Länge bekommt oder etwa 
60 Häuser bedient und dass das Bezirksreservoir die täglichen Exkremente 
aller Bewohner aufnehmen kann: durchschnittlich 15 — 20 ha oder 2000 bis 
3000 Einwohner. Ein Hausrohr muss den täglichen Anfall des betr. Hauses 
fassen können (s. Fig. 33), höchstens mit Zuhülfenahme eines Theils des 
Strassenröhren-Profils. 
Alle Röhren sind, wie auch die Reservoirs, luftdicht aus Eisen konstruirt 
und liegen unter Frosttiefe. An jedes Zwischenreservoir schliessen sowohl die 
Magistral- als die Strassenröhren mit Hähnen an, welche von der Strassen- 
oberfläche aus, ähnlich den Hydranten, erreicht werden können; Röhren- 
weite 13cm, 
Eine bei dem Zentralreservoir aufgestellte Luftpumpe (Betriebskraft nach 
Liernur 0.6 Pferdekr. für 1ha) unterhält in dem Zentralreservoir sowie in den 
Magistralröhren während der ganzen täglichen Betriebszeit ein ®/, Vakuum. 
Letzteres kann mittelst Oeffnung des Magistralrohrhahns in ein Bezirksreservoir 
fortgepflanzt werden; danach folgt Schluss des genannten Hahns und Oeffnen 
eines der Strassenrohrhähne, worauf sich die Exkremente aus den Haus- 
anschlüssen der geöffneten Strassenröhre in das Bezirksreservoir ergiessen. 
Der Arbeiter schliesst sodann die entleerte Strassenröhre ab, macht das Zwischen- 
reservoir abermals luftleer, öffnet und entleert eine zweite Strassenröhre und 
fährt auf diese Weise fort, bis alle Strassen ihre Fäkalien an das stets von 
neuem luftleer gemachte Bezirksreservoir abgegeben haben. Endlich wird das 
letztere auf gleiche Weise durch das Magistralrohr entleert, sei es direkt in das 
Zentralreservoir, sei es in das nächstfolgende Zwischenreservoir und von diesem 
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