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Scheidung. 207
zur Poudrettirung diene — Behauptungen, welche theoretisch zweifelhaft, und
praktisch noch nicht bewiesen sind. Jedenfalls lassen sich derartige Vortheile
bei anderen Methoden ebenfalls erzielen, und alle drei in dieser Beziehung
gleichstellen. Ebenso werden sich in Bezug auf Anlagekosten, Arbeitslöhne,
mechanische Arbeiten die drei Methoden nicht erheblich unterscheiden. Die
Hauptfrage bleibt, bei welchem Verfahren die geringste Wassermenge zu ver-
dampfen sei und diese beantwortet sich sehr einfach. Podewils und Liernur erhitzen
die gesammte Fäkalmasse bis auf eine solche Temperatur, dass genügend viel
Wasser ‘verdampft, um eine hinreichend feste Poudrette zu erzeugen, d. i.
schätzungsweise auf 75%, Bei Buhl & Keller dagegen werden die gefüllten
Massen gar nicht erhitzt, und bei der Flüssigkeit genügt es zur Gewinnung des
Ammoniaks 1/, —!/, zu verdampfen, diese allerdings bei 100°. Dadurch stellt
sich hier die theoretische Wärmemenge auf nicht ganz 1/; von derjenigen bei
den 2 anderen Methoden. Trotzdem ist gerade dieses Verfahren, wie oben
erwähnt. als unrentabel wieder aufgegeben, während dasjenige von Podewils
einstweilen noch mit Unterstützung eines grossen Konsortiums, und dasjenige
von Liernur noch mit theoretischen Betriebsrechnungen aufrecht erhalten
wird. Selbstredend werden letztere ungünstiger ausfallen, wenn der künftig
zugelassene noch ansehnlichere Wasserzusatz eintritt (CO III).
Schlimm verhält es sich auch mit anderweitigen Methoden, welche Exkre-
mente eindampfen (Paris, Manchester u. a.) und thatsächlich mit Verlust
arbeiten. Jedenfalls bleiben weitere Erfahrungen auf diesem Gebiete abzuwarten,
ehe eine Gemeinde dasselbe statt des direkten Verkaufs ihrer Exkremente
betritt.
In allgemein hygienischer Beziehung ist schliesslich auf die Ausdünstungen
der Poudrette-Fabriken hinzuweisen. Berüchtigt sind namentlich die 24 An-
stalten rings um Paris, welche mit unbedeckten Reservoirs, offenen Werkstätten
und mangelhaft geschlossenen Gefässen arbeiten. Eine Kommission forderte
vor Allem Abschluss des ganzen Verfahrens hinter Metallwandungen, ent-
sprechende Hoch-Ventilation, und Verarbeitung der Massen binnen 4 Tagen.
Die oben erörterten Methoden sind in dieser‘ Beziehung von vorn herein
rationeller entworfen. Immerhin bleiben erhebliche Abstände der Fabriken
von dem Baugebiet der Städte wünschenswerth ($ 16 der Gewerbe-Ordnung).
VI. Scheidung.
Exkremente in ihre festen und flüssigen Bestandtheile zu scheiden bezweckt,
die ersteren durch Abfuhr, die anderen durch Kanäle zu beseitigen. Gegenüber
vollständiger Abfuhr entsteht dadurch der Vortheil der Kostenersparniss
und der Möglichkeit von Wasserklosets, indem zugleich mit dem Harn
beliebige Mengen von Spülwasser abgehen können; gegenüber vollständiger
Abschwemmung der Vortheil der besseren Reinhaltung von Kanälen und
Flüssen, indem eine Menge fester klebriger Theile aus ihnen fern bleiben.
Zwar sind „feste“ und „flüssige“ Stoffe niemals scharf zu trennen, weil sie
gemeinsam geliefert werden (ausgenommen Pissoirs); bis zu einem gewissen
Grade aber kann es durch allerlei Vorkehrungen bewerkstelligt werden:
Scheidung im Abtritt selbst oder im Fallrohr, Ueberläufe an Gruben
eventuell mit Kiesfilter, durchlöcherte Zwischenwände in Gruben und in Tonnen!).
Zur Anwendung im Grossen sind Ueberläufe, Scheidetonnen, schwedische
Klosets gekommen, deren Bedeutung für die Städtereinigung im folgenden
geschildert werden soll.
1. Ueberläufe von Abtrittsgruben durch Röhren in die städtichen Kanäle
sind vielfach in Folge der Einführung von Wasserklosets gestattet (Amster-
dam, Wiesbaden, Bader, englische Städte), noch öfter geduldet oder heimlich
eingerichtet. Der Abfuhrtermin des Rückstandes wird gemeiniglich stark hin-
ausgeschoben, aber so lange die Intervalle auch gewählt werden, so besteht
doch der Rückstand keineswegs aus „festen“ Stoffen, sondern zeigt, wie die
1) Einige Zeichnungen in Th. II des Deutschen Bauhandbuchs, Baukunde des Architekten,
1. Halbband S. 545—519. Vollständige Uebersichten im Handbuch der Architektur a. a O
8. 212, 293, 346, 362.