Spülung. 275
a) Offene Gewässer nnd Bassins, unmittelbar in das obere Ende des zuspülenden
Kanals oder Kanalgruppe einzulassen, während der Ablauf am unteren Ende
in einen anderen Rezipienten erfolgt. So werden in Bern, Würzburg, Inns-
bruck u. a. Bäche benutzt, welche nunmehr lediglich durch das Kanalnetz den
Hauptstrom erreichen. Ferner die Spülung der Marschsiele in Hamburg aus
der Alster in die Elbe, mancher Kanäle in Freiburg aus den Gewerbebächen,
in München aus den Stadtbächen.
b) Flüsse mit natürlichem starkem Gefälle oder mit Stauwerken, aus
welchen oberhalb der Stadt Wasser entnommen und unmittelbar in die Kanäle
eingelassen wird, während es unterhalb der Stadt in denselben Fluss zurück
läuft, z. B. die tiefer liegenden Kanäle in Breslau, Danzig, Lüttich, München,
Reichenhall, Zürich, Strassburg.
c) Im Bereich der Tide können deren Höhenunterschiede benutzt werden.
So hält man in Bremerhaven während der Fluthzeit Wasser in den Hafen-
bassins fest, und lässt es von’ da durch die Kanäle strömen, sobald hinreichend
Ebbe im Fluss eingetreten ist, um freien Auslauf aus denselben zu haben.
Ferner wird in Brighton der längs der Küste hinziehende Abfangkanal zur
Fluthzeit am oberen Ende mit Spülwasser versehen, welches zur Ebbezeit am
unteren Ende freien Auslauf findet. Aehnlich in Emden Spülung mittelst
Fiuthwasser an mehreren Einlassstellen.
d) Offene Gewässer, an den oberen Kanalenden gesammelt, eventuell
eigens dahin geleitet oder aufgepumpt, um grössere Mengen auf ein mal zur Ver-
fügung zu haben. Es werden entweder Behälter und Teiche angelegt oder ab-
schliessbare Strecken des Kanalnetzes selbst als „Spülgallerien“ gefüllt, letzteres
namentlich, um mit dem Spülwasser eine Reihe von Kanalenden zu bedienen,
welche nun durch einen Spülkanal vereinigt werden, z. B. Danzig, Karlsruhe.
Behälter zur Speisung von Bächen kommen zur Benutzung in Mainz, München
(obere Systeme), Düsseldorf (Düsselbach und Zierteiche), Köln, Wiesbaden, in
letzterer Stadt z. Th. mit künstlicher Hebung durch die Wasserkraft der Bäche
selbst. Nöthigenfalls muss Gelegenheit zum Ablagern von Geschieben gegeben
werden, ehe Bäche in das Kanalnetz eintreten. In Bremen wird Wasser aus
der Weser in den die Altstadt umziehenden Stadtgraben aufgepumpt und von
diesem Sammelbehälter aus in die Kanäle eingeführt.
e) Regen, Quell- und Grundwasser, gesammelt in Behältern, häufig in Form
von Sammelgallerien, durch deren Wände jenes Wasser eingelassen wird, z. B.
Frankfurt, Stuttgart, Göttingen. Die Gallerie an der Bornheimer Landstrasse
in Frankfurt z. B. hat 300m Länge, 1,4” Breite, 1,7m Höhe, füllt sich bei
normaler Witterung alle Tage, bei Regenwetter bis zu dreimal an einem Tage
und bedient zwei Spüllinien der oberen Stadtzone. Hierher gehören auch
Regenwasser-Zisternen zum Spülen von Hausröhren und Hausanschlüssen, ins-
besondere in trocknen Zeiten, während 'es jetzt gewöhnlich nur gelegentlichen
Regengüssen überlassen bleibt.!)
f) Die öffentliche Wasserleitung und zwar theils die Abwässer von Hoch-
reservoirs, Springbrunnen, Strassenbrunnen, theils die Hydranten, aus welchen
Wasser nach Bedürfniss entnommen wird. Damit mögen zunächst Strassen be-
sprengt, Rinnen gereinigt, die Wasserverschlüsse der Einläufe aufgefrischt
werden, wenn man nicht (der Reinheit wegen) die Kanäle direkt bedient.
Meistens werden zunächst Spülbehälter gefüllt, als welche in Berlin und Dres-
den die Einsteigschächte, anderwärts abschliessbare Strecken des Kanalnetzes
dienen.
g) Gewerbliche Abwässer, falls dieselben noch rein genug und in grossen
Mengen zu haben sind, z. B. aus dem Bassin der städtischen Badeanstalt in
Dortmund, aus den Kohlenbergwerken bei Lüttich, aus einer grossen Brauerei
in Linz, aus den Dampfmühlen in Pest (Kondensationswasser).
h) Wo offenes Wasser nicht zu haben ist und die Wasserleitung zu theuer,
mag man das Kanalwasser selbst zum Spülen anwenden. In der Regel ge-
schieht dies jedoch unter Zuschuss reinen Wassers aus der Wasserleitung, weil
1) Ein Vorschlag dieser Art in: W.PaulGerhard, Sanitary Condition of Watch Hill 1889,
für die Hotels und Villen dieses amerikanischen Seebades.
18*