Full text: Städtisches Strassenwesen und Städtereinigung (Abtheilung 3, 3. Heft)

  
  
  
  
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814 Reinigung von Kanalwasser. 
ab. Hierdurch entsteht nicht nur eine Verschlammung des Flusses, sondern 
auch eine sanitäre Gefahr, indem Fäulniss eintritt und deren Produkte entweder 
nach Abtrocknung in die Luft gerathen (namentlich auch Bakterien), oder bei 
steigendem Wasser ausgeschwemmt werden und den Fluss nun noch ekelhafter 
verpesten. In welchem Umfange derartige Erscheinungen vorkommen und Be- 
denken erregen müssen, lässt sich nicht allgemein beantworten. Günstig sind 
in dieser Beziehung möglichst konstante Wasserhöhen, geschlossene Profile, 
steile Ufer und Ausschluss des Koths. 
5. Interessenkampf. Die Benutzung von Gewässern zum Wegschaffen 
von Schmutzwasser und Unrath ist ein ebenso alter Brauch, wie diejenige zum 
Waschen, Baden, Fischen, Trinken usw. Keines der beiden „Naturrechte“ darf 
plötzlich vollständig aufgehoben werden. Die Flüsse in blosse Abzugskanäle 
zu verwandeln, erscheint ebenso wenig statthaft, wie ihre absolute Reinheit zu 
fordern. Letzteres mag ein ästhetisches Ideal sein, ist aber, auch abgesehen 
von städtischem Kanalwasser, praktisch unerreichbar — man denke nur an die 
Abfallstoffe aus vereinzelten Ansiedelungen und auf Schiffen. In jenem Gegen- 
satz der Interessen kommt es auf Vermittelung an. 
Was zuerst die Industrie betrifft, so ist es besonders ein Verdienst der 
englischen Flussverunreinigungs-Kommission nachgewiesen zu haben, welch’ 
ungeheuren Verlust an Material viele Fabrikanten durch die bequeme Ueber- 
antwortung ihrer Abfälle an die Flüsse sich selbst zufügen. Sodann ist es für 
viele Industriezweige ungemein wichtig, dass sie reines Wasser zur Fabrikation 
erhalten (als Waschwasser, Kesselspeisewasser, zu chemischen Vorgängen), in- 
dem schmutzige Beschaffenheit des Wassers entweder die Verwendung über- 
haupt verhindert oder die Güte der gewerblichen Erzeugnisse beeinträchtigt. 
Demnach darf der Fluss, an welchem eine Fabrik sich ansiedelt, nicht schon 
in seinem oberen Laufe ungebührlich verunreinigt werden. Diesen beiden Mo- 
tiven können bei vielen Gewerbszweigen Re nigungsmethoden Genüge leisten, 
durch welche die Abfallstoffe zurück gehalten und möglichst wieder nutzbar 
gemacht werden und es wird davon, unter stetigen Verbesserungen, auch viel- 
fach Gebrauch gemacht,!) während andere Fabrikanten noch bei den theils 
wirklichen, theils vermeintlichen Vortheilen bleiben, welche ihnen die Be- 
nutzung eines Flusses als Abzugskanal gewährt. Im Interesse der leizteren 
muss man allerdings wünschen, dass die Bedürfnisse einer entwickelten Industrie 
nicht gegenüber etwa unbedeutenden Interessen der Landwirthschaft oder 
Fischerei zurück gestellt werden, d. h. Rücksichtnahme auf örtliche Ver- 
hältnisse! 
Aehnlich verhält es sich, wo ein Fluss durch städtische Abläufe 
(worin allerdings gewerbliche mit enthalten sein mögen) verunreinigt wird oder 
werden will. Zugunsten der unterhalb folgenden Bevölkerung ist zu erwägen, 
dass der Gebrauch eines Wasserlaufs zur Gesundheitspflege und Industrie in 
der Regel schwer ersetzlich ist. Soll er zu systematischer Wasserversorgung 
weiter abwärts dienen, so darf er, selbst wenn man zu diesem Zweck Filtration 
anwendet, nicht allzu schmutzig sein. Nur unter günstigen Umständen lässt 
sich durch Wasserbeschaffung von anderwärts her sorgen, wobei jedoch stärkere 
Geldopfer zu bringen, und die Bequemlichkeit, im Flusse selbst baden, waschen, 
schöpfen zu können, nicht wieder erreicht wird. Bei letzteren Gebrauchsarten 
muss eben aller Ekel ausgeschlossen bleiben. Wenn man andererseits eine 
Stadt zwingt, mit beträchtlichen Kosten ihr Kanalwasser zu reinigen, ehe 
ihm freien Ablauf zugestanden wird, so werden dadnrch gesundheitliche Ver- 
besserungen, Anlage rationeller Kanäle finanziellerschwert, welche doch für die 
Stadt grossen Nutzen und für den Fluss gegen bisherige ungeregelte Entwässerun £ 
oft nicht einmal eine Verschlechterung herbei geführt haben würden. Da 
möchte unter Umständen die Frage aufzuwerfen sein: ist der öffentlichen Ge- 
sundheitspflege mehr mit der Verbesserung schlechter Zustände im Inneren einer 
  
a) Diese sehr mannichfsltige Aufgabe liegt ausserhalb des Rahmens der Städtereinigung 
als einer öffentlichen Angelegenheit. ‚Zur Uebersicht empfehlen sich ausser König a.a. O.: 
Eulenburg, Handbuch der Gewerbe-Hygiene. Fischer, Verwerthung der städtischen und 
Industrie-Abfallstoffe, 2. Aufl. 1882. 
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